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Digital In Arbeit

Weg von den Systemi ängen !

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Wir sind in vieler Hinsicht zurecht stolz auf die Leistungen unseres Wirtschaftssystems. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, auch seine Mängel und Gefahren klar zu sehen.

Heute ist einfach vieles zu kompliziert geworden. Je komplexer aber das System wird, das zur Bereitstellung von Gütern und Leistungen dient, umso mehr hängt das Leistungsangebot von Sy-

stemnotwendigkeiten ab, umso weniger kann auf die besonderen I Wünsche des einzelnen eingegangen werden.

Konkret: Wollte früher im ländlichen Raum jemand eine bestimmte Apfelsorte essen, so konnte er den entsprechenden Baum pflanzen und nach einigen Jahren den Lieblingsapfel verzehren. Der Durchschnittskonsument, der heute solche Wünsche hat, muß trotzdem Jonathan kaufen, weil Jonathan-Äpfel lag erungsfähig, also von den Zwängen der Produktion und Bereitstellung her günstig sind.

Oder: Wer in einer Zeit, in der enge Hosen modern sind, eine Hose nach Seemannsstil tragen will, wird diesen Wunsch wohl kaum in einem Konfektionsladen befriedigen können. Die Rentabilitätsberechnungen großer Bandserien erlauben kein Eingehen auf Sonderwünsche.

Wer in Kauf nimmt, eventuell einmal einen wurmigen Salat zu kaufen, sich aber weigert, allzu stickstoffhaltige Produkte zu verzehren, wird wohl besser auf Salatkonsum verzichten: Je stärker also Grundsätze der Massenproduktion zum Zuge kommen, umso weniger wird auf die spezifischen Bedürfnisse des Konsumenten Rücksicht genommen werden können.

Soweit es sich um nebensächliche Anliegen handelt, kann man sicher auf Spezial-wünsche verzichten und sich über den Umfang des Güterangebots freuen. Problematisch wird es aber, wenn es sich um existentielle Anliegen handelt.

Ich tue mir zwar leicht, mich an die Schuhmode anzupassen und diesbezüglich auf Sonderwünsche zu verzichten. Aber ich kann einfach nicht auf die Produktionsbedingungen der Nahrungsmittelindustrie und des industriellen Landbaus Rücksicht nehmen, wenn ich mir dadurch eine höhere Wahrscheinlichkeit einhandle, an Krebs zu sterben.

Ich will auch nicht die geringste Gefahr radioaktiver Verseuchung tragen, nur weil beim heutigen Stand der Kostenstruktur Atomkraftwerke angeblich um einige Groschen billigeren Strom erzeugen.

Den einzigen Ausweg, aus diesem Dilemma herauszukommen, sehe ich darin, daß wir wieder die Entstehung überschaubarer Versorgungsbereiche begünstigen, wo diejenigen, die Entscheidungen treffen, auch die Hauptbetroffenen der Folgen ihrer Entscheidungen sind.

Sicher läßt sich das nicht von heute auf morgen verwirklichen. Aber die Weichen könnte man heute schon so stellen, daß Uberschau-barkeit begünstigt wird.

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