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Die Bauwerke des 1813 in Kopenhagen geborenen und 1891 in Wien gestorbenen Architekten Theophil Hansen gehören zu den schönsten und auch heute noch repräsentativsten Gebäuden der Ringstraßenepoche: das Parlament, der Musikverein, die Börse, die griechische Kirche auf dem Fleischmarkt, das Hoch- und Deutschmeisterpalais (heute OPEC-Gebäude) auf dem Parkring und die Akademie der bildenden Künste, um nur die wichtigsten zu nennen. Weniger be-

kannt ist, daß Hansen auch die gesamte Inneneinrichtung seiner Bauwerke selbst entwarf und sogar Wohnungen, wie die des Glasindustriellen Ludwig Lob-meyr, gestaltete.

Auch auf die Wiederbelebung des Kunstgewerbes nahm er maßgeblichen Einfluß. Am Beispiel der Akademie der bildenden Künste, wo Hansen von 1868 bis 1884 Professor und Leiter einer Spezialschule für Architektur war, läßt sich besonders schön die Arbeit des Architekten von der Planung bis zum endgültigen Bauwerk nachvollziehen.

Hansen hat hier ein Gesamtkunstwerk geschaffen. Jedes Detail in diesem Haus wurde von ihm geprägt. Auch die Maler und Bildhauer mußten sich in dieses Konzept einfügen, was nicht immer ganz widerspruchslos erfolgte, wie die Kontroverse des Malers Anselm Feuerbach mit Hansen über das große Deckengemäl-

de in der Aula beweist. Hansen entwarf aber auch die Tische, Bänke, Stühle und Schränke, die Ausmalung der Räume, die Fenster und die Türen, ja selbst noch die Türklinken und Schlösser. Tischler, Schlosser und Zimmermaler arbeiteten genau nach Hansens Plänen.

Eine der schönsten Planungen Hansens ist die Einrichtung der Akademiebibliothek mit ihren großen, jahrhundertealten Bücherbeständen und ihren angegliederten Kupferstichkabinett mit Zeichnungen, Stichen und Architekturplänen vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Im Lesesaal und in anderen Räumen der Bibliothek wurden Bücher- und Graphikschränke sowie Schreibund Lesesaaltische von Hansen entworfen. Für die Stühle sorgte in Hansens Auftrag der Wiener Möbeltischler Thonet.

Höhepunkt der Einrichtung sind die gemalten Ornamentdek-ken der Bibliothek, die mit dem Mobiliar ein harmonisches Ensemble bilden. An der Decke finden sich neben fleuralen Ornamenten hervorragende Wiedergaben schöner Nußholzmaserung, sodaß die Bücherschränke, Tische und Stühle geradezu eine natürliche Fortsetzung an der Decke finden. Auch in den tiefen Fensternischen wird dieses Konzept durch gute Holzlasuren weitergeführt. Ein schönerer Rahmen läßt sich wohl kaum für die alten Ledereinbände finden.

Dieses geschlossene Ensemble hat^lle Zeiten, vor allem auch den Zweiten Weltkrieg, ohne Schaden überstanden, nicht aber den „Kunstsinn“ der fünfziger Jahre.

Die Beseitigung einiger Sprünge wurde 1956 zum Anlaß genommen, die Decke des ganzen Lesesaales einfach weiß zu streichen. Auch in anderen Räumen der Akademie wurden die Hansen-Decken übermalt, ebenso wie in dieser Zeit der größte Teil des Gipsmodellmuseums bei einem „Fenstersturz“ mutwillig demoliert wurde. Der verantwortliche Rektor hieß damals Clemens Holzmeister.

In der Bibliothek wurde das barbarische Zerstörungswerk weiter fortgesetzt: mit Neonlampen und Wertheim-Regalen.

Trotz teurer Zu- und Einbauten wurde die Bibliothek immer desolater, sodaß 1982 eine Generalsanierung unbedingt notwendig wurde. Eine glückliche Fügung hat engagierte Mitarbeiter der Meisterschule für Konservierung, der Bundesbaudirektion und der Bibliothek zusammengeführt, und es war bald keine Frage, daß im gesamten Bereich der Bibliothek der ursprüngliche Zustand des Hansen-Ensembles weitgehend wiederhergestellt werden sollte.

Kernstück der Arbeiten war die Wiederherstellung der alten Hansen-Decke. Die Restaurierung gestaltete sich äußerst schwierig. Die weiße, inzwischen dunkelgrau gewordene Ubermalung — zum Glück waren es keine Dispersionsfarben - mußte auf 400 Quadratmeter Fläche rein mechanisch abgetragen werden, ohne daß die darunterliegende Hansen-Malerei zerstört wurde. Chemische Mittel erwiesen sich, als ungeeignet.

Aufgrund der zutage getretenen Restbemalung und unter Zuhilfe-

nähme von alten Fotos konnte nun der Originalzustand völlig wiederhergestellt werden. Auch die Einrichtungen werden jetzt schrittweise saniert. An Stelle der Neonlampen wurden Halbkugeln als Deckenbeleuchtung ausgewählt, wie sie bis 1956 bestanden haben. Die Leselampen auf den Tischen mit ihren grünen Schirmen sind zwar eine neue Zugabe, doch haben auch sie ein altes Vorbild im Lesesaal der von Heinrich Ferstel errichteten Universitätsbibliothek. Die Flechtung der Thonet-Sessel wurde erneuert. Demnächst wird die Restaurierung der Bücherschränke erfolgen. An Stelle eines vollgeräum-t*>n und zweckeritfremdeten Bü-

cherdepots wird es in absehbarer Zeit einen besonders schönen Ausstellungsraum, ganz im Sinne Hansens, für die Bibliothek geben.

Auch wenn die Restaurierungsund Sanierungsarbeiten noch lange nicht abgeschlossen sind, so zeigt sich bereits heute der Lesesaal als besonders stimmungsvolles Beispiel des Historismus. Die Bibliothek der Akademie der bildenden Künste ist nicht nur die größte, sondern auch die schönste Spezialbibliothek für Kunst und Architektur Österreichs. Sie ist für jedermann frei zugängig.

Der Autor ist Direktor der Bibliothek und des Kupferstichkabinetts der Akademide**>il-denden Künste in Wien.

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