6847570-1976_29_10.jpg
Digital In Arbeit

Wettlauf mit den Demolierern

Werbung
Werbung
Werbung

Alarm im Bundesdenkrnalamt! Ein Wiener Kulturdenkmal ist in Gefahr. Dieser Tage soll die architektonisch einzigartige Eingangshalle des, Wiener Rudolf-spitals, eines der Hauptwerke romantischer Architektur des Historismus in Österreich, abgerissen werden. Obwohl der imposante Hallenbau, mit den beiden Seitentrakten ohne Schwierigkeiten erhalten werden könnte, ja dafür sogar schon Verwendungsmöglichkeiten vorgeschlagen wurden, stießen alle Empfehlungen auf taube Ohren der Gemeinde Wien. Alle Proteste gegen diesen barbarischen Plan haben nichts genützt.

Der Haupttrakt des 1860 bis 1864 von Joseph Horky errichteten Spitals „Rudolfsstiftung“ mußte zwar erneuert werden, das heißt einem modernen Turmbau lueichen (der übrigens zum Häßlichsten zählt, das heute aus dem Wiener Stadtbild störend hochschießt). Aber von dem unter Aufsicht von so prominenten Architekten Wie Siccardsburg, Ferstel und dem Kunsthistoriker Eitelberger errichteten Meisterbau ist die Zentralhalle mit zwei Seitenflügeln erhalten geblieben. Sie ist bis heute in Verwendung: ein gewaltiger Kreuzgewölbetrakt, der mit den Arsenaltrakten Theophil von Hansens und van der Nulls, mit Ferstels berühmtem Bankpalais in der Herrengasse, mit dem bereits vor Jahren demolierten Nordbahnhof (einst dem architektonischen Stolz der Franz-Josephs-Ära) und der ständig von Spekulationen und daher vom Abbruch bedrohten Roßauerkaserne zu den Hauptlci-stungen des romantischen Historismus zählt. Ein bis ins Detail, bis zu den Türklinken, fabelhaft gestalteter Bau, in dem alle künstlerischen Elemente der frühen Ringstraßenzeit vereinigt sind.

Doch das alles schert die Gemeinde herzlich wenig. Im Fall „Rudolfsstiftung“ wie im Fall Roßauerkaserne oder im Fall des kunsthistorisch exemplarischen Semper-Depots, wo mir tatsächlich ein Verantwortlicher der „Technik“ schrieb: Es hätte sich herausgestellt, das Semper-Depot wäre gar nicht allein von diesem größten Architekten des 19. Jah-hunderts gebaut worden. Sondern

auch von einem Mitarbeiter namens Carl von Hasenauer. (Na du hat sich der Herr aber schön blamiert! Natürlich hat Hasenauer daran mitgearbeitet. Aber Hasenauer ist nicht etwa irgendein drittklassiger Architekt gewesen. Sondern einer der Hauptarchitekten der Wiener Ringstraße. Wefs nicht glaubt, seile sich einmal das Wiener Kunsthistorische oder Naturhistorische Museum an, die er — ebenfalls mit Semper — gebaut und im Alleingang genial ausgestattet hat.),

Semper hin, Hasenauer her! Während sich die, die's angeht den Kopf zerbrechen, wie sie Wiener architektonische Meisterleistungen möglichst still und unauffällig aus dem Weg räumen können, weil dahinter ja das große Geschäft steht, kommen ausländische Studenten nach Wien, um hier die großen Leistungen des Historismus zu bestaunen. Vom Institut für Bauforschung und Baugeschichte an Münchens „Technik“ etwa, wo man noch rasch eine Bestandsaufnahme von Sempers Meisterwerk machen wollte, ehe es auf Betreiben der Technik demoliert wird. Und es, klingt wie Ironie, wenn Stipendiaten der Thyssen-Stiftung nach Wien pilgern, um für das 14bändige Ringstraßenwerk Bauten zu studieren, die möglicherweise gar nicht mehr existieren werden, wenn alle Bände des Werkes vorliegen werden. Hauptsache: alles ist dokumentiert! Wie bei den Schildbürgern!

Aber je mehr solche Fälle im ewigen Wettlauf mit den Demolierern akut werden, um so mehr zeigt sich, was Wien alles permanent ignoriert, ja, wie hierzulande selbst Architekten noch immer bemüht sind, große Leistungen der Vergangenheit zu opfern, nur um rasch noch ein Geschäft aufzureißen. Solange es halt mit dem — nur noch bei uns geschmähten — Historismus so leicht geht. Wäre es jetzt nicht höchste Zeit, den Fall „Rudolfsstiftung“ zu überlegen? Ehe es zu spät' ist und wir ein Jahr nach dem „Europäischen Jahr des Denkmalschutzes“ schon wieder eine echte „Kulturschande“ verbuchen können?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung