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Stadtplanung — utopisch und erfreulich

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Das Wiener Stadtbauamt hat in der Sezession eine Ausstellung eröffnet, die in Plänen und Modellen über einige größere öffentliche Bauprojekte Auskunft gibt. Die Öffentlichkeit wird über die Absichten der Baubehörden unterrichtet, zur Kundgabe der eigenen Meinung und wohl auch zur Kritik aufgefordert — und das ist durchaus erfreulich. Denn Städte werden schließlich nicht allein von Bauplanern und Architekten, sondern auch von ihrer Bevölkerung gebaut und bewohnt. Ein Meinungsaustausch zwischen Baubehörden und Öffentlichkeit kann, mag er auch bisweilen Komplikationen mit sich bringen, nur von Nutzen für beide Teile sein.

Einige der ausgestellten Projekte, etwa die Verlegung des Allgemeinen Krankenhauses, die Schaffung neuer Vorstädte oder großzügiger Fernverkehrsstraßen, dürften vorläufig eher den Wert von Utopien als von in absehbarer Zeit realisierbaren Plänen besitzen; man nimmt sie zur Kenntnis, freut sich an ihren Details, kann sie aber jetzt schon schwerlich kritisieren. Unter den Projekten, deren Verwirklichung nicht nur notwendig, sondern über kurz oder lang auch möglich sein wird, scheint uns jenes besonders geglückt zu sein, das eine Lösung der Verkehrsprobleme an der Kreuzung von Kärntnerstraße und Getreidemarkt mittels Unterfahrungen vorsieht und auf dem Schuttplatz vor dem Porrhaus den für Wien so unumgänglichen Autobusbahnhof errichten will. Ähnliches gilt in Variation für die Fortsetzung des Schottenrings über eine neue Brücke zum jenseitigen Donaukanal ufer, was diesem Teil des Rings den fatalen Anschein einer Sackgasse nehmen würde.

Der Wettbewerb zur Neugestaltung der Fischerstiege (vergleiche Nummer 34 der „Furche“) scheint durchaus unbefriedigende Ergebnisse erzielt zu haben; man ist einsichtig genug, die Schuld daran nicht den beteiligten Architekten, sondern den ihnen gegebenen Richtlinien anzukreiden — Richtlinien, die sehr wenig Rücksicht auf den Charakter eines historischen und von den natürlichen Bodenverhältnissen geformten Stadlteils nahmen. Bemerkenswert, daß alle diese Projekte wenigstens in einem Punkt fast durchwegs ausgezeichnete architektonische Lösungen vorschlagen: Für den projektierten Stiegenaufgang von der Fischerstiege — nämlich zur Kirche von Maria am Gestade. Hier konnten sich die Phantasie und das Einfühlungsvermögen des Wiener Architekten in die Gegebenheiten seiner Stadt frei bewegen. Die Annahme, daß im Falle der Fischerstiege Wettbewerbsbedingungen, wie sie etwa das Denkmalamt vorschlug, weitaus bessere Ergebnisse gezeitigt hätten als die auf bloße „Verkehrsregulierung“ bedachte Ausschreibung des Stadtbauamtes, dürfte, also stimmen. Wenn einer dieser ausgestellten Fischerstiegen-Baupläne realisiert werden sollte, wäre Wien um eine höchst langweilige Bürostraße reicher und um eine wirkungsvolle ardiitektonische Eigenheit ärmer. -Wir fragen: Welche Schlüsse hat das Stadtbauamt aus den Ergebnissen des Wettbewerbes gezogen?

Die beabsichtigte Verschönerung des Fleischmarktes gegen den Kornhäuselturm zu wird allgemeine Freude bereiten; ein toter, mit Plakaten beklebter Winkel könnte hier sozusagen in stiller Schönheit erblühen. Der Absicht hingegen, das Palais Palffy (gegenüber der Nationalbibliothek) aufzustocken, wird von der Kritik mit Recht angegriffen werden. Der Josefsplatz — einer der schönsten Platzanlagen der Welt — wird durch die Größenunterschiede zwisdien den nebeneinanderstehenden Palais Pallavicini und Palffy reizvoll beleht; die Aufstockung brächte diese heitere Unregelmäßigkeit zum Verschwinden, sie würde, abgesehen von einer nicht notwendigen Veränderung des alten Bauwerks, den Platz vollends wie mit dem Lineal abgemessen erscheinen lassen. (Die seitliche Öffnung desselben Palais in Arkaturen kann man — vielleicht —angängig finden.) Hingegen sind die Gründe nidit einzusehen, derentwillen die Sterngasse, die basteiartig in die Marc-Aurel-Straße einmündet, jetzt in halber Länge gewissermaßen abgehackt werden soll. Warum? Besser, billiger und dem Baubestand dieses Stadtteils angemessener wäre eine Neufassung der jetzigen Stiegenanlage. Den Vorschlag, vor dem Coburg-Palais auf dem Parkring eine Grünanlage zu schaffen, wird man begrüßen dürfen.

Ein großer Teil der Pläne und skizzierten Bauvorhaben bezieht sich auf die Bedeutung des in Trümmern derniederliegenden Donaukanalufers vor der Inneren Stadt. Die Grün-flachen sollen dort vergrößert, neue Einblicke in die wundervollen Altstadlviertel rings um St Rupredit und die Griechengasse hergestellt werden. Dagegen ist sidieriith nichts einzuwenden. Nur: warum geht man gerade hier, wo man den Franz-Josefs-Kai endlich von der Eintönigkeit befreien könnte, unter der er seit je zu leiden hatte, mit Durchbrächen so sparsam um? Warum will man nur auf den Turm der Ruprechtskirche einen Blick offen lassen? Weil sie im Gegensatz zu den Häusern ringsum als zu klein erschiene? Aber ihr ganzer Reiz besteht ja eben darin, daß sie klein ist! Werden die jetzigen Pläne wirklich als Maximallösungen angesprochen werden können? Wie sollen die noch offenen Fragen endgültig entschieden werden?

Manches andere bleibt ungeklärt; man erhielte gerne übet die vielzitierte verkehrstechnische Assanierung der Manahilfer Straße erschöpfende Auskunft. Wie denkt man jetzt im Stadtbauamt über das Problem Stephansplatz? Das diesbezügliche Modell zeigt immer noch die heftig umstrittene Bauplanung vom Beginn dieses Jahres. Was ist mit dem Platz Am Hof? Wir hoffen, da das Stadtbauamt nicht aufhören wird, die Öffentlichkeit über Fragen, die zu stellen sie berechtigt ist, zu unterrichten und aufzuklären. Audi die Spalten der .Furche“ stehen dazu jederzeit offen.

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