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Der Skandal Trautson

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Man hat sich daran gewöhnt: halbe Entscheidungen, Ignoranz, Resignation, Mangel an Rückgrat oder Wurstigkeit, engstirnige Interessen und Geschmacklosigkeiten beherrschen das Bauen. Die importierten Klischees sorgen für einen gewissen äußeren Rahmen, und der allge-

meine Hang zur Repräsentation liefert die gemeinsame Politur. So ist man gerade so skrupellos, wie es die herrschenden Spielregeln erlauben. Manj kann über einzelne Bauwerke wettern oder auch über die allgemeine Situation — den Kem trifft man doch nicht. Aber es gibt auch Momente, in denen das Geschwür aufbricht. Dann „wundert“ man sich, wie schlecht es eigentlich um uns bestellt ist.

Der Skandal um das Palais Trautson dürfte aber nicht gar so überraschend gekommen sein. Trotzdem treten damit Zustände an den Tag, die man zwar vermutet, aber in ihrer ganzen Konsequenz doch nicht zu denken gewagt oder ernstgenom-

Bitte, nicht „allzu“ arg!

Dieses Palais soll das Justizministerium aufnehmen. Dazu hat man einen allgemeinen Architektenwettbewerb ausgeschrieben, der die Möglichkeiten einer solchen Verwendung und die notwendigen Umbauarbeiten hätte untersuchen sollen. Aber schon die Forderungen der Ausschreibung waren so, daß der Großteil der Architekten, die für die Er-

Haltung des Palais eintreten, daran nicht teilnahm. Von 59 abgeholten Unterlagen wurden nur 17 Projekte eingereicht. Das heißt, bei annehmbaren Voraussetzungen hätte man zumindest eine doppelte, wenn nicht dreifache Beteiligung erwarten dürfen.

In der Ausschreibung war unter anderem über den Trakt in der Neu- stiftgasse zu lesen: „Falls in einem Projekt an dieser Front ein Neubau vorgesehen ist, der dann im Westen bis zum Anschluß an das Mechitari- stenkloster reichen könnte, soll sich dieser zwar bewußt als moderner Bau' deklarieren, doch stellt das Bundesdenkmalamt die Forderung, daß die Fassade nicht in Glasflächen mit schlanken Pfeilern aufgelöst werde, sondern daß vielmehr das Mauerwerk gegenüber den Glasflächen überwiegen soll, um einen allzu argen (!) Kontrast gegen das Palais zu vermeiden. Da es sich ja hier nicht etwa um eine Schule, sondern um ein Bürogebäude handelt, ist diese Forderung durchaus erfüllbar und wirkt sich auch wirtschaftlich günstig aus. Sie ist unbedingt zu berücksichtigen.“

Diesen Text könnte man einer Untersuchung über das Versagen unserer Architektur zugrunde legen. Abgesehen von der Fadenscheinigkeit der Forderungen und der Art der Argumentation („da es sich ja hier nicht etwa um ein.e Schule handelt“) ist es schon grundsätzlich falsch und mit aller Entschiedenheit abzulehnen, einfach ein Stück aus einem einheitlichen historischen Bauwerk (noch dazu einem so bedeutenden) heräuszubrechen und durch einen Neubau zu ersetzen. Es ist geradezu grotesk, daß man diesen Standpunkt gegenüber einem Denkmalamt vertreten muß, das sonst in mühevoller Kleinarbeit um die Erhaltung vieler weit weniger wertvoller Objekte bemüht ist. Man kann also gar nicht annehmen, daß der Präsident des Bundesdenkmalamtes, Professor Otto

mėn hat. Der Fall Trautson betrifft nicht nur die ausschreibende Behörde, also das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau, vertreten durch die Bundesgebäudeverwaltung I, Wien, das Bundesdenkmalamt, das Preisgericht und die teilnehmenden Architekten, sondern

unsere ganze Gesellschaft. Es ist zu einem Skandal Trautson nicht zufällig gekommen. Wer die Vorgänge in Wien, ja auch in Linz oder Salzburg und auch in anderen österreichischen Städten in der letzten Zeit beobachtet hat, wird sehr leicht zu der Überzeugung gekommen sein, daß man schon lange an der historischen Substanz unserer Städte Raubbau betreibt und daß die Barbarei mit dem allgemeinen Wohlstand nicht ab-, sondern zunimmt. So ist man jetzt bei uns in der offiziellen Zerstörungsarbeit beim Palais Trautson angelangt, das bekanntlich als der schönste Wiener Profanbau Fischer von Erlachs bezeichnet wird.

Demus, nicht weiß, daß ein solcher Eingriff zur Zerstörung des Palais führt, auch wenn die eine Fassade in der Neustiftgasse nicht so viel „Architektur“ besitzt. Wenn auch die Preisgabe dieses Traktes vom Bundesdenkmalamt gedeckt ' wird, so kann man doch vermuten, daß sie anderen Ursprungs ist. Wie es auch sei, mit dieser Tatsache ist jedenfalls ein nicht abzuschätzender Schaden angerichtet worden. Denn von wie

vielen Bauwerken in Wien kann das seiter, der also mit den Wiener Ver- Denkmalamt noch die Erhaltung hältnissen weniger vertraut zu sein fordern, wenn es einmal das Palais scheint, für die Erhaltung des Trautson aufgegeben hat? Palais eingetreten ist und von den

siebzehn Entwürfen das einzig und Nur ein einziger allein diskutierbare Projekt vorge-

Durch die Möglichkeit des teil- legt hat. Natürlich wurde dieses

weisen Abbruches und eines Neubaues war von vornherein für jenen Teil der Architekten, die für die Erhaltung des Palais eintreten, eine geringe Chance gegeben, den Wettbewerb zu gewinnen. So ist es auch kein Zufall, daß nur ein Außen

Projekt nicht an die erste, sondern an die zweite Stelle gesetzt. Damit hat sich aber auch die Jury für die Zerstörung des Palais entschieden.

Die Architektenschaft hat es versäumt, gegen diesen modernen Vandalismus geschlossen zu protestieren. Auch die Fachpreisrichter, o. Prof. Dr. Karl Schwänzer und Prof. Georg Lippert, hätten als Vertreter der Ingenieurkammern ihre Funktion nicht annehmen oder nach dem Ergebnis der eingereichten

Arbeiten niederlegen müssen. Es wurde aber keiner dieser Schritt unternommen.

Man kann sich ohne Schwierigkeiten vorstellen, daß dieser Wettbewerb, wenn das Bundesdenkmalamt auf die Erhaltung des Palais

bestanden hätte (wodurch für alle Teilnehmer die gleichen Bedingungen geschaffen worden wären), durch das große Interesse, das diesem Wettbewerb gegenüber gezeigt wurde, auch eine Anzahl brauchbarer Entwürfe gebracht hätte. So ist man jetzt auf den einzigen Vorschlag des Salzburger Architekten Cevela angewiesen, der sicher den einzig gangbaren Weg zeigt, aber im Detail eben nicht mit anderen verglichen werden kann. Besonders

glücklich ist die Idee, die Büroräume um den zweiten Hof zu gruppieren und durch eine „Entkernung“ sie in eine ruhige Zone zu legen. Man könnte sich sogar vorstellen, daß dieser Hof, um die günstigsten Lichtverhältnisse zu schaffen, großzügigere Öffnungen erhält. Aber das sind nicht so wichtige Details.

Von den übrigen Architekten ist kein einziger für die Erhaltung des Palais eingetreten. Man hat es also durchgehend mit Arbeiten zu tun, die „auf Gewinn“ und nicht für die Sache gemacht wurden. Die Preise erhielten: 1. Arch. Diplomingenieur Walter Stepanik, 2. Architekt Felix Cevela, 3. die Architekten Bruno Tinhofer und Heinrich Matha. Zwei Ankäufe wurden an Arch. Richard Praun und Architekt Dipl.-Ing. Alfred Dreier vergeben.

Der Fall Trautson ist ein ernstzunehmendes, ein alarmierendes Symptom. Er zeigt, wie es wirklich in einem Land, das in zunehmendem Maß auf seine vergangene Kultur pocht und sich immer mehr einrichtet, auch davon zu leben, wie es in diesem Land mit der Kultur gegenwärtig bestellt ist. Der Wettbewerb Trautson ist ein Skandal, der in erschreckender Weise zeigt, welche Wechselbälge man heute hinter Amtstüren auszubrüten imstande ist. Dieser Wettbewerb ist eine unbeschreibliche Farce.

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