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IM STREIFLICHT

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MAN soll auf Spatzen nicht mit Kanonen schießen. Der Autor von „Boboss e“, Andre Roussin, sagt es anders: „Laßt uns Keulen bereiten, um einen Schmetterling zu vernichten!“

— Nein, das wollen wir nicht tun, sondern nur feststellen, daß dem Akademietheater da ein recht merkwürdiger Nachtschmetterling ins Rampenlicht geflattert ist. Kein sehr „verruchter“, mit giftigen Farben, sondern einfach einer von den Pariser Boulevards. Wenn das unbedingt sein muß — bitte! Besser — und billiger — ginge es

— ohne.

VIELLEICHT ist es nur in Wien möglich, daß ein Sportjournalist über moderne Kunst feuil-letonistische Urteile abgibt. Nur in Wien ist es möglich, daß — im Laufe einer Wiederaufbauarbeit — an die klassizistische Front eines Stadtpalais ein barocker Balkon geklebt wird. Nur in Wien ist es denkbar, daß sich ein Kulturinstitut verpflichtet glaubt, eine Enquete zu veranstalten, in der die Frage nach „Rang und Stellung der österreichischen Gegenwartskunst“ gestellt wird

— und abermals nur in Wien ist es möglich, daß die Teilnehmer dieser Enquete eine Stunde lang mit vielen treffenden und witzigen Kommentaren und grammatikalischen Analysen die Fragestellung noch schärfer zu formulieren trachten und hierauf befriedigt nach Hause gehen, hinter sich offene Türen und Fragen zurücklassend. Nur in Wien darf ein allseits bekannter und — soweit das hier möglich ist — berühmter Maler sein Leben von Gratismittagstischen wohlwollender Leute fristen. Nur in Wien — ach ja, es ist erstaunlich, was, im Guten wie im Bösen, in Wien denkbar und möglich ist...

EIN hochinteressantes künstlerisches Ereignis, das uns — angeblich — bevorstand, wurde vor kurzem an dieser Stelle angezeigt: die Wiener Premiere des Balletts „A b r a x a s“ von Werner Egk. Aber unsere Vorfreude wurde bald abgekühlt, denn man erfuhr, daß der Ballettabend der Staatsoper erst — in der nächsten Saison stattfinden könne. Aus budgetären Gründen. Da kann man nichts machen. Und weil das Staatsopernballett durch die in der Volksoper vorgesehene Neuinszenierung der „Lustigen Witwe“ von Franz Lehar zu stark in Anspruch genommen sei. Da wurden unsere Gesichter noch länger. Denn dieser Tausch ist gar nicht nach unserem Geschmack. Zwar werde das Opernballett in dieser Saison sich doch noch zeigen können, aber im Konzerthaus, im Rahmen der Wiener Festwochen und es liefen Verhandlungen, diesen Abend des Staatsopernballetts auch ins Repertoire der Staatsoper zu übernehmen. Ein weiter Weg ... Und leider mit anderem Ziel. Denn „Abraxas“ steht nicht mehr auf dem Programm.

NUN ist es so weit: Die Kunstschätze aus den österreichischen Museen, die so lange und so weit fort waren, kehren wieder nach Wien zurück; in einigen Wochen wird sich herausstellen, -ob ihnen hier ebenso viele Besucher wie in Brüssel oder New York ihre Reverenz erweisen werden — eine Frage, die angesichts der „Museumscheu“ der Wiener nicht uninteressant ist. Unklar bleibt freilich, aus welchen Gründen man zuständigerseits die Absicht hegt, den Eintrittspreis für diese Ausstellung heimgekehrter Kunstschätze auf volle fünf Schilling hinaufzusetzen — meint man, daß die Wiedersehensfreude durch ein kleines Opfer nur erhöht würde? Oder hofft man, daß der Wiener leichter ins Museum zu ziehen wäre, wenn man ihm den Eintritt schwerer macht? Aber wenn der Besucher einiger ausländischer Metropolen nichts zu zahlen brauchte, dann ist nicht recht einzusehen, warum der Eigentümer zahlen soll...

DIE Autobusse der Linie 6 fahren bekanntlich über die Gentzgasse, Währinger Straße, Herrengasse und Augustinerstraße, schlagen dann einen Haken und bleiben zwischen Künstlerhaus und Karlsplatz stehen: die Liebhaber und Freunde des Musikvereines wissen dieses Verkehrsmittel, das sie so schnell aus den nordwestlichen Bezirken vor den Konzertsaal bringt, sehr zu schätzen — es erspart ihnen eine langweilige und zeitraubende Straßenbahnfahrt rund um den halben Ring. Aber es ließe sich denken, daß man die 6er-Linie dem Wiener Kulturbetrieb unschwer in noch höherem Maße dienstbar machen könnte: indem man ihre Endstation um einige hundert Schritte und vor das verkehrstechnisch ohnehin recht benachteiligte „Kunstzentrum“ Konzerthaus

— Akademietheater — Musikakademie verlegte.

GROSSSTADTKINDER haben's gar nicht leicht: eine winzige Sandkiste in irgendeinem Winkel des öffentlichen Parks — meist nicht eben im hübschesten —, Verbotstafeln an allen Rasenflächen und Parkwächter, die als drohende Gewalten über die genaue Einhaltung aller Gebote des Nichtballspielens, Nichtdenrasenbetretens und und Lärm-Machens wachen. Nur in wenigen Parks gibt es Planschbecken, noch seltener gibt es Spielwiesen.. In anderen Ländern, in Schweden zum Beispiel, aber auch im nicht eben reichen Eng-land, versucht man wenigstens, den Großstadtkindern mit geringen Mitteln viel Freude zu schenken: man gibt ihnen Rasenflächen, auf denen sie spielen können, stellt einige Spielgeräte in die Parks, gelegentlich auch plastische Gebilde, auf die die Kinder klettern, in deren Höhlen sie sich verstecken dürfen. Man soll nicht sagen, daß das viel kostet — es kostet sicherlich weniger Geld als guten Willen. Aber den sollte das Vergnügen und die Freude vieler kleiner Menschen doch immerhin wert sein...

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