Ein fast modernes Flickwerk

Werbung
Werbung
Werbung

Die Regierung hat sich auf eine abgeschwächte Reform des Familienrechts geeinigt. Die Novelle will sich zwar an neue Lebensformen annähern, hält aber doch am klassischen Familienbild weiter fest. Eine weitere „Modernisierung“ des Rechts wird daher gefordert.

Es kam wie ein Gewitter mit leisem Donner und fast ganz ohne Blitze: Die Novelle zum Familienrecht, auf die sich die Koalitionspartner vergangene Woche geeinigt hatten und die nun als Initiativantrag im Nationalrat zur Abstimmung vorliegt. Nach einigen Anläufen und Tauziehen wurde nun eine Reform vorgelegt, die von manchen Fachleuten höchstens als kleiner Schritt in die richtige Richtung beurteilt wird.

Der stärkste Zündstoff, der fehlende Blitz, war fürs Erste entschärft worden: Die von einigen erwartete, von anderen umso stärker angefeindete Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare kommt wenig überraschend nicht. Einen Entwurf dazu soll es bis Jahresende geben, versuchte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zu vertrösten. Manche fühlen sich durch diese Ankündigung irritiert: Laut dem Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Gerhard Benn-Ibler, liegt der Entwurf dazu bereits fertig in einer Schublade des Justizministeriums. Dort liegt er vielleicht noch lange, befürchten manche.

„Homo-Ehe“: Weiter warten

Die Ministerin gab sich zunächst mit der entschärften Variante zum Familienrecht zufrieden und spricht von einer „Modernisierung und Entrümpelung“. (Details siehe unten): Erstmals werden Stiefeltern mit Rechten und Pflichten bei der Kinderziehung ausgestattet, aber nur verheiratete. Ehewillige sollen zudem mehr Spielraum bekommen, um Vermögen wie Wohnungen oder Erspartes schon vor dem Tag des gegenseitigen „Ja“ per Vertrag zu regeln.

An diesem Punkt hatte es sich bis zuletzt gespießt. Es hatte Befürchtungen gegeben, dass durch solche Verträge vor allem Frauen schlechter aussteigen würden. Die Novelle nimmt nun darauf Rücksicht: Das Gericht kann der/dem ehemaligen Ehepartner/in und Kindern unter bestimmten Umständen ein Wohnrecht einräumen. Auch die verpflichtende Beratung vor Scheidungen kam nicht, sie wurde etwa von der ÖVP bekämpft. Trotz einiger Entschärfungen oder gerade deshalb blieb Donnergrollen nicht aus: Die Grünen sprechen von „großen Lücken statt einem großen Wurf“. Lebenspartnerschaften blieben weiterhin benachteiligt, bei Patchwork-Familien sollten alle Beteiligten dieses Verbandes vereinbaren, wer welche Rechte und Pflichten hat, es soll auch für unverheiratete Patchwork-Mitglieder gelten. Lücken beim Unterhalt müssten endlich geschlossen werden (siehe die Diskussionsrunde rechts).

Gerhard Benn-Ibler geht mit der Novelle ebenso hart ins Gericht: Sie sei ein Rückschritt und keine Weiterentwicklung. Es brauche eine „nachweisliche, unabhängige rechtliche Beratung jedes Einzelnen“, wie ursprünglich vorgesehen, um bei einer Scheidung nicht ungünstig auszusteigen.

Längst fällig ist für Benn-Ibler auch ein Abrücken vom sogenannten Verschuldungsprinzip bei strittigen Scheidungen, also von der Suche nach dem Schuldigen am Scheitern der Ehe, was dann etwa für Unterhaltsforderungen von Belang ist. Darüber will die Justizministerin nachdenken. Eine auch unter Fachleuten umstrittene Frage. Experten wenden aber ein, dass in Staaten, wo man vom Verschuldungsprinzip in Richtung Zerrüttungsprinzip übergegangen ist (zum Beispiel in Deutschland), Streitigkeiten nicht abgenommen, sondern sich nur verlagert hätten, wie Bea Verschraegen, Leiterin der Abteilung für Rechtsvergleichung, Einheitsrecht und Internationales Privatrecht von der juridischen Fakultät der Uni Wien betont. Das Verschuldungsprinzip sei zudem kein Auslaufmodell, so die Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für Familienrecht. Dem widerspricht Benn-Ibler. Er meint, Österreich hinke nicht nur in diesem Punkt anderen EU-Staaten hinterher.

Weg von der Schuldfrage?

Noch ein Punkt wurde vom Gesetz ausgeklammert, von Fachleuten aber erhofft: die gesetzliche Verankerung des Kinderbeistands. Das Pilotprojekt lief im vergangenen Jahr aus. Für den Wiener Psychoanalytiker und Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche, Helmuth Figdor, sollte jedem Kind bei Scheidungsverfahren vor Gericht eine Person, die für die Bedürfnisse des Kindes spricht, zur Seite gestellt werden.

Zurzeit noch Wunschdenken. Es bedürfe viel mehr Anstrengungen im Bereich der psychosozialen Beratung für Betroffene einer Scheidung, so der Psychotherapeut, der mit Scheidungskindern arbeitet. Figdor weist darauf hin, dass es etwa bei der Besuchsbegleitung einen enormen Bedarf gebe, dass aber Institutionen, die das anbieten würden, den Bedarf nicht mehr decken könnten. Budgets seien wieder gekürzt worden. „Einige Organisationen überlegen gar, aus diesem Projekt auszusteigen“.

Gesetze könnten aber nicht alles regeln, so Figdor. Das gelte auch für den Punkt der Novelle, dass Stiefeltern mehr Rechte und Pflichten bekommen sollten. Könnte das leibliche Eltern noch mehr zurückdrängen? Auf einer rechtlichen Seite sei das neue Gesetz in Ordnung, erklärt Helmuth Figdor: Stiefeltern lebten ja mit den Kindern des Partners zusammen. Auf einer kommunikativen Seite müssten Rechte und Pflichten gemeinsam mit den leiblichen Elternteilen besprochen werden. Freilich: Wenn ehemalige Paare noch miteinander reden können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung