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Macht muß geteilt werden

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Nicht jeder Akt muß zur Erledigung nach Wien geschickt werden. Aber ist der Föderalismus bloß ein Verwaltungsproblem?

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Nicht jeder Akt muß zur Erledigung nach Wien geschickt werden. Aber ist der Föderalismus bloß ein Verwaltungsproblem?

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DIEFURCHE: Was bringt die Bundesstaatsreform den Ländern und den Gemeinden? JÜRGEN WEISS: ES bringt ihnen eine etwas stärkere Stellung. So wurden etwa größere Gemeinden über 20.000 Einwohner vom Rechnungshof geprüft und unterlagen zusätzlich der Gebahrungskon-trolle durch das Land. Diese Doppelgleisigkeit wird nun beseitigt. Bei den Ländern soll die Gesetzgebungszuständigkeit gestärkt werden, um eigenständige Regelungen treffen zu können. Ein Beispiel: es macht in vielen Bereichen, wo es starke regionale Unterschiede gibt, keinen Sinn, bundesweite Regelungen zu beschließen. Darum gibt es etwa beim Mietrecht oder beim Ausländergrundverkehr regional unterschiedliche Bestimmungen. Dazu soll noch die Stellung der Gemeinden bei Verwaltungsverfahren gestärkt werden, etwa durch die Parteistellung oder ein Anhörungsrecht.

DIEFURCHE: Ist nicht die große Gefahr bei der „Föderalisie-rung" von Kompetenzen, daß widersprüchliche Regelungen beschlossen werden, wie das etwa beim Ausländergrundverkehr geschehen ist’ WEISS: Mit der Gefahr der Verfassungswidrigkeit leben auch manche Bundesgesetze. Natürlich ist auch ein Landtag nicht davor gefeit, Verfassungsbestimmungen zuwenig zu beachten. Die Kritik an den Landesgesetzen zum Ausländergrundverkehr in Tirol und Salzburg geht davon aus, daß wir schon bei der EU

sind. Das ist aber noch nicht der Fall. Diese Landesgesetze nützen den Freiraum des EWR aus und den Ländern ist es klar, daß sie diese Bestimmungen im Fall des EU-Beitritts anpassen müssen.

DIEFURCHE: Was bringt dem Bürger eine Stärkung des Föderalismus? WEISS: Der Föderalismus bewirkt eine Teilung der staatlichen Macht, er wirkt also dem unerwüsch-ten Zustand entgegen, daß an einer Stelle alle Macht konzentriert ist. Die kleineren Gemeinschaften bieten dem Bürger auch viel mehr Möglichkeiten am politischen Geschehen teilzuneh- •

men. Und natürlich kann die Gesetzgebung auf regionaler Ebene viel besser auf regionale Besonderheiten eingehen. Dazu kommt noch eine Verwaltungsvereinfachung, wenn nicht jeder Akt zur Entscheidung nach Wien geschickt werden muß.

UIEFURCHE: Wie sieht jetzt der Zeitplan der Bundesstaatsreform aus und welche weiteren

Schritte sind geplant^ Steht auch eine Reform des Bundesrates zur Debatte? WEISS: Hinsichtlich des Bundesrates gibt es derzeit - abgesehen von Einzelmeinungen - keine Reformvorschläge von Seiten der Länder oder vom Bundesrat selbst. Bei der Bundesstaatsreform sind natürlich finanzielle Begleitmaßnahmen notwendig. Das wird etwa bei einer Übertragung der Kompetenzen für die Bundesstraßen sicher sehr schwierig, hat aber an sich nichts mit der Bundesverfassung zu tun. Der Zeitplan für den Beschluß der Bundesstaatsreform hängt natürlich sehr stark mit dem Termin der Volksabstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union zusammen. Wenn wir am 19. Juni die Volksabstimmung haben, wird - bei einem entsprechendem Er-gebms - anschließend der Vertrag unterzeichnet werden können und dann wird das Ratifizierungsverfahren im Parlament eingeleitet. Das kann unter Umständen auch in den Herbst hineinreichen. Im Zuge dessen soll auch die Bundesstaatsreform beschlossen werden. Politisch vereinbart ist eine Regierungsvorlage für die Bundesstaatsreform spätestens vdTr der EU-Volksabstimmung und eine Beschlußfassung spätestens mit der Ratifizierung des EU-Beitrittsvertrages im Parlament.

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