Letztes Wochenende wohnte ich bei einem Workshop zum Thema "Jesus im Koran" einem Vortrag des bekannten katholischen Theologen Jürgen Werbick bei. Zwei Gedanken, die Werbick ausgeführt hat, sind mir seitdem nicht aus dem Kopf gegangen.
Der erste Gedanke bezog sich auf den Gottesanspruch: "Ich will nicht ohne euch." Er sprach von Gott, der sich deshalb für die Menschen entschieden hat, weil es ihm um die Menschen an sich geht, er ist den Menschen solidarisch zugewandt, durch seine Offenbarung zeigt dieser Gott seine Beziehungswilligkeit zum Menschen. Seine Offenbarung ist ein Ruf Gottes an jeden Einzelnen: "Ich will nicht ohne dich sein. An dir habe ich unendliches Interesse." Deshalb nimmt dieser Gott Anteil am Leiden des Menschen. Niemand ist ihm egal. Was für ein großartiges Bild von einem dem Menschen in vollkommener Liebe und Barmherzigkeit zugewandtem Gott. Die Reduzierung der Rede von Gott auf Gesetze und Gehorsam hat uns Muslimen diesen liebenden Gott zum großen Teil genommen.
Der zweite Gedanke Werbicks bezog sich auf seinen Anspruch an sich selbst als Christ gegenüber uns Muslimen: "Ich will nicht ohne euch in die Gottesgemeinschaft." Werbick drückt damit einen aufrichtigen Wunsch aus, den interreligiösen Dialog nicht opportunistisch zu führen, nur weil es heute einfach dazugehört, mit Muslimen in den Dialog zu treten, sondern es geht ihm um eine ehrliche brüderliche Solidarität aller Gläubigen auf dem gemeinsamen Weg in die Gottesgegenwart. Ich habe mir das bildlich vorgestellt, wie Angehörige verschiedener Religionen und Weltanschauungen den Eintritt in den Himmel verweigern, solange nicht allen der Eintritt gewährt wurde. Darin sehe ich einen Ruf an uns heute, uns hier und jetzt auf der Erde in Brüderlichkeit zu solidarisieren, im Sinne: "Mir geht es nur dann gut, wenn es dir auch gut geht. Ich will nicht ohne dich."
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