Kreuz aus Holz quer - © Pexels / Thijs van der Weide

Religion im öffentlichen Raum: Kreuz und Kruzifix

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Wie viel Religion braucht eine säkulare Gesellschaft? - Diese Frage bleibt offen. Wie sehr Religion kulturprägend bleibt, hängt von den Menschen ab, die ihr Leben nach ihr ausrichten.

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Wie viel Religion braucht eine säkulare Gesellschaft? - Diese Frage bleibt offen. Wie sehr Religion kulturprägend bleibt, hängt von den Menschen ab, die ihr Leben nach ihr ausrichten.

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Mit dem "Abendland in Christenhand" ist es ja nun demnächst vorbei - und dazu wurde auch alles gesagt, was zu sagen war. Die FPÖ hat in der nach unten offenen Peinlichkeitsskala weitere Markierungen angebracht und darf solcherart für sich in Anspruch nehmen, in einem unsäglichen Wahlkampf die durchaus bemühte Konkurrenz in puncto Unsäglichkeit deutlich abgehängt zu haben.

Was indes weit über den 7. Juni hinaus bleibt, ist die überaus heikle Frage von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum: Sie wird, ja muss uns weiterhin unter den Nägeln brennen. Zur Debatte steht, wieviel sichtbare Religion, wieviel religiöse Präsenz eine säkulare Gesellschaft verträgt, ohne sich selbst aufzugeben, oder um ihrer eigenen Prinzipien willen aushalten muss - oder gar zu ihrer eigenen Absicherung braucht.

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In vielen Beiträgen zum einschlägigen Auftritt des FPÖ-Chefs bei einer Kundgebung gegen ein islamisches Kulturzentrum hieß es, Heinz-Christian Strache habe mit einem Kruzifix in der Hand agi(ti)ert. Tatsächlich aber hielt Strache seinen Anhängern ein schlichtes Kreuz - also ohne figürliche Darstellung des Gekreuzigten - entgegen.

Kruzifix als Hardcore-Variante

Das mag bei vielen mangelndes Wissen oder Schlamperei gewesen sein. Vielleicht aber haben manche auch instinktiv das Richtige gespürt: Dass "Kruzifix" (man kennt das ja auch als Fluch) irgendwie böser, bedrohlicher klingt - und daher das Schwenken eines Kruzifix' noch verwerflicher wäre als das eines schlichten Kreuzes. Und vielleicht haben umgekehrt die Dramaturgen von Straches Wahlkampf bewusst kein Kruzifix, sondern eben "nur" ein Kreuz verwendet: Auch wenn es vielfach nicht mehr so empfunden wird, stellt das Kruzifix mit seiner Darstellung eines grausam Gehenkten doch die Hardcore-Variante für bekennende Christen dar, während das Kreuz eher als Symbol eines Kulturchristentums taugt, um das es der FPÖ (vorgeblich) zu tun ist.

Die Frage bleibt, wieviel sichtbare Religion eine säkulare Gesellschaft verträgt, aushalten muss – oder gar braucht.

Natürlich sind Kreuz und Kruzifix nicht voneinander zu trennen, und so hat Georg Hoffmann-Ostenhof schon recht, wenn er im profil schreibt, das Kreuz (er verwendet beide Begriffe synonym) sei nicht einfach ein Zeichen für "Liebe und Toleranz", sondern ein drastisches Symbol einer drastischen Geschichte "vom Sohn Gottes, der die Sünden der Welt auf sich nimmt", und "von der Erlösung".

"Kulturchristentum"

Aber diese drastische Geschichte ist durch die Jahrhunderte hindurch, in der Rezeption von und im Austausch mit Philosophie, Kunst, Recht kulturprägend geworden. Anders hätte das Christentum, hätte keine Religion überdauert, wäre nicht ihre Gründungserzählung über den Glauben ihrer Anhänger zum Substrat der Alltagskultur geworden. Als solches entfaltet es dann freilich seine Wirkung auch für die Nicht-Glaubenden, im christlichen Kontext etwa durch die Betonung der Würde und Unverwechselbarkeit des Individuums oder die Werte der Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Deswegen sollte man - trotz FPÖ - die Bedeutung eines "Kulturchristentums" nicht zu gering veranschlagen; und deswegen kann das Kreuz auch als allgemeines kulturelles Symbol der christlich geprägten europäischen Kultur gesehen werden - wie etwa auch der Davidstern über die mosaische Religion hinaus für das Judentum steht.

Ob Religion solcherart kulturprägend bleibt, hängt freilich nicht von selbst ernannten Abendland-Rettern ab, sondern von Menschen, deren Worte und Taten sich aus den Quellen dieser Kultur speisen.

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