Religion und Wahlkampf

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Was hat Religion im Wahlkampf verloren? Nichts, meinen viele. Das ist insofern richtig, als Religion nicht politisch instrumentalisiert werden sollte. Dann nämlich wird, wie der Prager Priesterphilosoph Tomáˇs Halík, zurecht gesagt hat, aus Glauben Ideologie - was für die Religion unakzeptabel sein müsste, woran aber auch die Politik kein Interesse haben kann, weil es ein gefährliches Spiel ist. Weil aber Religion, anders als das auch viele gerne hätten, nicht einfach ein völlig abgesonderter, auf die bloße Privatheit oder Innerlichkeit beschränkter Bereich ist, sind die Religion betreffende Fragen (nicht religiöse oder Glaubensfragen) natürlich immer auch politische Fragen, die demnach auch aus Wahlkämpfen nicht verbannt werden können.

Ist aber Religion nicht längst zu bedeutungslos, um in solchen Auseinandersetzungen eine Rolle zu spielen? Offensichtlich nicht. Schon das Scheitern "Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien“ habe "gezeigt, dass bei aller Säkularisierung Kritik in dieser Schärfe nach wie vor zurückgewiesen wird“, meinte dieser Tage etwa der Politologe Fritz Plasser gegenüber orf.at. Und der Politikberater Thomas Hofer stößt grosso modo ins selbe Horn, wenn er sagt: "Für eine Partei, die eine gewisse Breite anstrebt, ist Kritik an den Kirchen nicht anzuraten.“

Religiöse Versatzstücke

Jedenfalls emotionalisiert Religion weit über den engeren Kreis bekennender oder prakizierender Christen bzw. Angehöriger anderer Glaubensgemeinschaften. Auf der simpelsten Stufe betreibt das die FPÖ - nicht erst seit heuer übrigens, auch Jörg Haider nahm bereits Anleihen an biblischer Sprache ("Er hat euch nicht belogen!“ et al.). Heinz-Christian hat das nun auf die - vorläufige - Spitze getrieben, indem er zunächst einen christlichen Schlüsselbegriff, "Nächstenliebe“, bewusst auf seinen vorchristlichen Deutungsgehalt reduziert, um ihn dann überhaupt nur noch als lustiges Versatzstück unter die Leute zu werfen: "Höchste Zeit für ‚Nächstenliebe‘“ ist derzeit wie ein Button auf die FP-Plakate montiert (Nächstenliebe unter Anführungszeichen, wohlgemerkt).

Religion im öffentlichen Raum

Aber es gibt auch ernsthaftere Zugänge. So ist zuletzt das Thema Religionsunterricht wieder aufgekommen. Bildungsministerin Claudia Schmied (SP) wolle ihn abschaffen, behauptete Staatssekretär Sebastian Kurz (VP). Was er dann in einem Presse-Interview dahingehend relativierte, dass man die von der SPÖ bekanntermaßen angestrebte Einführung eines Ethikunterrichts für alle auch nur als "eine starke Schwächung“ des Religionsunterrichts sehen könne. Aber zweifellos haben wir es hier mit unterschiedlichen Positionen zu diesem Thema zu tun. Wobei es letztlich um die grundsätzliche Frage der Präsenz, der Sicht- und Wahrnehmbarkeit von Religion im öffentlichen Raum geht.

Kurz argumentiert hier als Politiker: Es gehe darum zu verhindern, dass Religion in die "Hinterhöfe“ abwandere. Soll heißen: Es gibt ein öffentliches Interesse, Religion nicht aus dem Blick zu verlieren, um Auswüchse, fundamentilistische Strömungen hintanzuhalten. Das ist legitim, ja, notwendig. Es geht aber darüber hinaus auch um das Recht der Religionen, sich in den öffentlichen Diskurs einbringen zu können. Dazu zählt auch, dass ihre Glaubensinhalte, ihre Traditionen, ihre Kultur Gegenstand eines substanziellen, aufgeklärten und aufklärenden Unterrichts in der Schule sind - freilich ohne Zwang und mit der Möglichkeit eines Alternativangebots.

Wer übrigens glaubt, dass mit der Verbannung der Religion aus der Öffentlichkeit oder mit einer strikten Trennung von Religion und Staat/Gesellschaft die Probleme gelöst sind, der mag sich den angestrengt-quasireligiösen Charakter der "Charta der Laizität“, die für Frankreichs Schulen erarbeitet wurde, vor Augen führen.

rudolf.mitloehner@furche.at

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