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Nicht nur im Talar

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Zuerst sollte alles beim alten bleiben. Die Wahl des Rektors der Wiener Universität für das kommende Studienjahr war für den 15. Juni terminisiert; als einziger Kandidat war der Gerichtsmediziner Professor Leopold Breitenecker vorgesehen, für ihn — so entnimmt man der offiziellen Begründung — wäre die Rektorswürde ein „schöner Abschluß seiner Karriere“ gewesen.

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Zuerst sollte alles beim alten bleiben. Die Wahl des Rektors der Wiener Universität für das kommende Studienjahr war für den 15. Juni terminisiert; als einziger Kandidat war der Gerichtsmediziner Professor Leopold Breitenecker vorgesehen, für ihn — so entnimmt man der offiziellen Begründung — wäre die Rektorswürde ein „schöner Abschluß seiner Karriere“ gewesen.

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Inzwischen hat sich der amtierende Rektor Prof. Zerbst auf dringenden Wunsch der Studentenvertreter bereit erklärt, die Wahl auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Die so gewonnene Zeit soll zur Ausarbeitung eines Dreiervorschlages genützt werden. Durch eine Unterschriftenaktion wollen die Studenten den Wahlmännern die Professoren Auerswald, Heitger und Tomandl vorschlagen. Diese Neuregelung ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: erstens fällt dadurch das Gewohnheitsrecht, daß jedes Jahr eine andere Fakultät den Rektor stellt. Zum zweiten ergibt sich eine — wenn auch bescheidene — Mitbestimmung der Studenten.

Obwohl diese kleine Reform Studentenforderungen nach Absetzbarkeit des Rektors, nach einer Wahl für eine Funktionsperiode von zwei Jahren und nach einer strengen Altersklausel unberücksichtigt läßt, scheint sie dennoch geeignet, studentisches Unbehagen zu kanalisieren. Sahen sich die Professoren im vergangenen Jahr noch stark genug, ihren Kandidaten gegen den von Studenten in einer (mißglückten) Urwahl geforderten Rektor durchzusetzen, so kam man heuer zur Einsicht, daß bei der Wahl nicht eine volksdemokratische Prozentzahl erstrebenswert ist, sondern vielmehr ein Rektor gekürt werden soll, der mit den Studenten gemeinsam die immer dringlicher werdenden Probleme der Universität lösen soll. *

Sicher ergeben sich aus diesem Kompromiß personelle Veränderungen, ebenso sicher bedeutet dieser Schritt eine gewisse Demokratisierung der Universität, aber dennoch ist ein Überdenken der Institution Rektor zu fordern. Denn: der Rektor ist keineswegs jener talargekleidete Repräsentant, als der er immer dargestellt wird, sondern vielmehr — wie es das Hochschulorganisationsgesetz definiert — der „Vorstand der Universität und Vorsitzende des Akademischen Senats“. Er hat also eine dem Leiter eines wirtschaftlichen und personalintensiven Großunternehmens nicht unähnliche Funktion. Zu koordinativen Aufgaben kommen die Ausübung des Disziplinarrechtes, verbunden mit einer Art Polizeigewalt über Personal und Gebiet der Universität, sowie die Forderung der Studenten nach Aktivität im Bereich der Hochschulreform. So wird der Rektor aufgerieben zwischen Studenten und Kollegen, zwischen Verwaltung und Hochschulpolitik, zwischen Repräsentation und Lehrveranstaltungen.

Wenn die Institution Rektor unverändert beibehalten wird, wird der jeweilige Rektor über ein „verlorenes Jahr“, die Studenten hingegen über mangelnde Fortschritte klagen. Kosmetische Veränderungen, wie eine Änderung des Wahlmodus und Ansätze zu studentischer Mitbestimmung, werden keine echte Lösung bringen. Diese wäre nur durch eine völlige Umstrukturierung des gesamten Komplexes Universität zu erreichen.

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