Das Ende der Funkstille

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Wer in Österreich neben dem ORF ein Privatradio betreiben wollte, wurde auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Zehn Jahre dauerte der Koalitionsstreit über ein neues Radiogesetz, das neben dem staatlichen Sender auch private Anbieter zulassen sollte.

Als im Juni 1993 erstmals ein Gesetz verabschiedet wurde, das die österreichische Medienlandschaft nachhaltig verändern sollte, schien eines der letzten verbliebenen europäischen Sendemonopole der Vergangenheit anzugehören. Doch der erste Liberalisierungsversuch, der vielversprechend begonnen hatte, war bereits zwei Jahre später zum Scheitern verurteilt. Im Herbst 1995 hob der Verfassungsgerichtshof Kernbestimmungen des neuen Radiogesetzes wegen massiver Beschwerden wieder auf, obwohl die zehn Lizenzen 1994 in einem schwierigen Auswahlverfahren bereits vergeben worden waren. Stolpersteine waren die Anzahl der auszuschreibenden Lizenzgebiete und die technischen Reichweiten, die diese Lizenzen haben sollten. Einzig "Antenne Steiermark" und "Radio Melody" in Salzburg konnten sich mit ihren Streitpartnern einigen und neben dem ORF auf Sendung gehen. Somit herrschte in Österreich über zwei Jahre lang die kuriose Situation, daß zwei Bundesländer über Privatradio verfügten, die anderen sieben aber nicht.

Weitaus erfolgreicher scheint jetzt der zweite Liberalisierungsversuch zu werden. Mit Ausnahme von "Antenne Kärnten" und "Antenne Vorarlberg" werden sechs Regionalradios am 1. April 1998 auf Sendung gehen. Die Entscheidung, an wen vor allem die begehrten Regionallizenzen gehen, fiel am 16. November 1997 nach einer stundenlangen Beratung der Regionalradiobehörde.

In Wien gingen aus den Hauptbewerbern "Radio Eins", mit Mehrheitsbeteiligungen der Bank Austria (34%) und Krone Media (26%), "Antenne Wien", geführt von "News" (24%) und der "Presse" (24%), "K4", ein Sender des Medienmultis CLT-UFA (Bertelsmann), "Radio Energy", ein Konsortium rund um die französische Gruppe "Radio Energy" um die Regionallizenen zwei Sender siegreich hervor: "88.6 L!VE" (vormals Radio Eins) und "Antenne Wien", mit dem Erfolgsrezept von "Antenne Steiermark" im Hintergrund. Der Rest muß sich mit den schwächeren Lokalfrequenzen, die eine geringere technische Reichweite haben, zufrieden geben.

Während beim Verfassungsgerichtshof erneut Klagen eintrafen, über die dieser Ende Feber/Anfang März erstmals beraten wird, laufen die Vorbereitungen für den Privatradiostart in Wien und den Bundesländern auf Hochtouren. In der Bundeshauptstadt ist der Konkurrenzkampf schon offen ausgebrochen.

1994 bekam der Sender "92.9 RTL Wien" (vormals "K4") den Zuschlag für eine Regionalfrequenz, wurde aber jetzt durch "Antenne Wien" aus seiner Position verdrängt und muß sich mit der weniger leistungsstarken Lokalfrequenz begnügen. Auch der Versuch, in die im August 1997 gegründete Privatradio-Marketinggesellschaft (PMG, eine Werbegesellschaft in der zehn Radiomacher versuchen überregionale Werbezeiten zu verkaufen) einzusteigen, wurde ein Fehlschlag, da der Ring nur mehr den Regionalsendern offenstand.

Petra Dittrich, Geschäftsführerin von "92.9 RTL Wien": "Wir sind nie in der PMG gewesen. Nach dem es sicher war, daß wir zu den Lokalanbietern gehören werden, hat man uns nicht mehr eingeladen daran teilzunehmen". Alfred Grinschgl, Geschäftsführer der "Antennen" Wien und Steiermark meinte dagegen: Es ist für mich schwer zu beurteilen, warum "92.9 RTL Wien" ausgestiegen ist. Was an Argumenten genannt wurde, war vermutlich nur vorgeschoben. Es hieß, es hätte ein Antenne-Verbund gegründet werden sollen, dabei war kein Verbund vorgesehen. Ich glaube, es hat einen medienpolitischen strategischen Hintergrund und mit den Medieninteressen der wichtigsten Verleger in diesem Land zu tun."

Wenig später gelang es "92.9 RTL Wien" im Gegenzug drei andere Privatradios ("Radio Servus", vorher "Radio Burgenland", Radio RPN, vormals "Donauwelle", und "88.6 L!VE") zu bewegen aus der PMG auszusteigen, um zusammen mit dem ORF eine Kooperation unter dem Namen "Ö3 plus" einzugehen. Der ORF könnte in Zukunft über die genannten Radioveranstalter nationale Werbezeiten vermarkten.

Für die PMG hätte der Verlust der vier ostösterreichischen Sender das Aus bedeuten können, mittlerweile hat sich aber daraus eine zweite Marketing-Allianz formiert. Sieben Regionalanbieter (die fünf "Antennen" Wien, Steiermark, Kärnten, Vorarlberg, Tirol, "Radio Melody" in Salzburg und das oberösterreichische "Life Radio") sowie ein Wiener Lokalanbieter, voraussichtlich "Energy 104,2" wollen ihre überregionalen Werbezeiten vom europäischen Hörfunkvermarkter RMS (Hamburg) verkaufen lassen. Die Kooperation "Ö3 plus" kann für den ORF aber nur ein schwacher Trost sein. Mit Start der Privatradios muß der staatliche Sender wie in der Steiermark bei den Hörern mit erheblichen Verlusten rechnen.

Seit zwei Jahren zeigt "Antenne Steiermark" spektakulär wie erfolgreich Privatradio in Österreich sein kann. Innerhalb kürzester Zeit konnte die "Antenne" in der grünen Mark einen hohen Prozentsatz an Ö3-Hörern gewinnen.

Das Erfolgskonzept der Antenne, das auch Vorbildwirkung für alle anderen privaten Sender haben wird, ist simpel: Durch intensive Marktforschung ausgerichtete Musikmischung aus Oldies und Hits (Zielgruppe 14- bis 49jährige), News und Serviceleistungen, die auf das jeweilige Bundesland beziehungweise Stadt zugeschnitten sind. Verantwortlich für den Erfolg des Pioniers in der Steiermark ist Gründungsgeschäftsführer Alfred Grinschgl, der gemeinsam mit Geschäftsführer Helmuth Fellner und dem Medienprofi Christian Nusser, der vor einigen Jahren vom Kurier in den NEWS-Verlag wechselte, auch die Wiener "Antenne" betreuen wird.

Die Vorbereitungen für den Start und der Testbetrieb der Wiener "Antenne" sind trotz Verzögerungen (die Bescheide für die Lizenzen hätten schon Anfang September zugestellt werden sollen) schon vor Monaten angelaufen. Die Studios werden zu den modernsten in Österreich gehören, und befinden sich im 11. Stock des Galaxie-Hauses, direkt über den Redaktionen von "NEWS" und "TV-Media". Es wird ausschließlich digitale Technik verwendet, und der klare Standortvorteil mit Ausblick über die ganze Stadt durch eine riesige Fensterwand garantiert den Moderatoren auf Verkehrsprobleme, in enger Zusammenarbeit mit dem ÖAMTC und Wetter schnell zu reagieren. Das übrige Programm basiert neben dem Hörerservice ungefähr auf demselben erfolgreichen Konzept des steirischen Senders. Alfred Grinschgl dazu: "Wir wollen ein urbaner Großstadtsender sein." (siehe nebenstehendes Interview Seite 16) Fixe Nachrichtenblöcke soll es fünf Minuten vor der vollen Stunde geben.

Ähnliches bekommt man auch vom zweiten Wiener regionalen Fixstarter zu hören. "Radio Eins", das sich vor kurzem "88.6 L!Ve" taufte, hat seine Studios auf der Heiligenstädter Lände nicht weit von den neuen Ö3-Räumen entfernt. Dort setzt man auf ein musikorientiertes Full-Service-Programm mit kurzen, pointierten Welt- und Lokalnachrichten, Hörerservice und einem neuartigen Verkehrsfunk. Mit dem zehn Kilowatt starken Rundsender am Kahlenberg soll die größte technische Reicheweite aller Wiener Privatradios garantiert werden.

Auch in den Bundesländern läuft bereits der Countdown. In Niederösterreich startet Geschäftsführer Franz Ferdinand Wolf den Sender "Radio RPN" (vormals Donauwelle). In Oberösterreich wird sich "Life-Radio"-Chef Christian Stögmüller auf News und eine Plattform für die Anliegen der Oberösterreicher stützen. Das "Regionalradio Servus" will umfassenden Pendler-Service bieten, "Antenne Tirol" Schneewarnungen und Lawinenberichte. Im westlichsten Bundesland startet "Antenne Vorarlberg", ein klassisches Middle of the Road-Programm wird "Antenne Kärnten" bieten.

Widerstand könnte sich auch im Ländle regen. Größter Gesellschafter des Regionalradios Vorarlberg ist das Medienhaus von Eugen A. Ruß, das auch die "Neue Vorarlberger Tageszeitung" und die "VN" kontrolliert. Diese Konzentrations-Situation wird Bedenken auslösen und vermutlich nicht ohne Widerspruch bleiben.

Ein Überblick über die Lokalradios wird in einer der nächsten Furche-Ausgaben folgen.

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