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Unmittelbarer Tod

"Liliom" am Linzer Landestheater

Sieht man von überflüssigen Gags, dem überlangen Sterben Lilioms und den ins Banale abgleitenden Schluss-szenen ab, ist es der Inszenierung Georg Schmiedleitners insgesamt recht gut gelungen, Franz Molnár "Vorstadtlegende" in den Linzer Kammerspielen ins Irgendwo des Heute zu versetzen. Mit Ausnahme des Ganoven Ficsur (Stefan Matousch) wird Hochdeutsch gesprochen. Für die stimmige Musikauswahl sorgte Gerhard Gutenberger.

Schmiedleitner beschränkte die Spielhandlung aber nicht nur auf die Bühne (Stefan Brandtmayr) mit einer Art multifunktionaler Arena im Zentrum. Ein live Außen-Einsatz mit Liliom und der "Polizei" als zusätzlicher "Äktschn" wird dem Publikum per Video als verpuffter Versuch, das Geschehen "unmittelbarer" zu machen, zugespielt.

Ungleich unmittelbarer sind die künstlerischen Leistungen der Schauspieler, und in dieser Hinsicht blieben nur wenige Wünsche offen. Herausragend aus dem geschickt reduzierten Personal sind Heiner Take (Liliom) und Marianne Hamre (Julie/Luise) für ihre ergreifende Rollengestaltung zu nennen.

Margret Czerni

Tränenloser Schmerz

Gilbert & George in bregenz

Dem britischen Künstlerduo Gilbert & George wird zur Zeit im Kunsthaus Bregenz die bis jetzt umfangreichste Ausstellung in Österreich ausgerichtet. Auf den vier Ausstellungsebenen des Hauses werden 26 riesigformatige Bildarbeiten aus den Jahren 1989 bis 2001 präsentiert. Der bekannte Kontrast von British gentlemanartiger Bekleidung zur monumental präsentierten Nacktheit wird zum zentralen Thema dieser Kunst, wobei das Paarhafte, die fast doppelgängerische Zweisamkeit besonders herausgestrichen wird. Es fällt auf, dass die beiden sich in jeweils ganz verschiedenen emotionalen Stimmungen darstellen. In den melancholischen Blicken, die oft direkt auf den Betrachter gerichtet sind, bricht in diesen Werken eine große Vereinsamung auf, eine absurde Vereinzelung trotz scheinbarer Gemeinsamkeit, die an die totale Einsamkeit Samuel Becketts gemahnt.

In den plakativen großformatigen Bildern stehen Körperflüssigkeiten im kompositorischen Zentrum: Blut, Schweiß, Sperma, Urin und Exkremente werden - auf Mikrozellen vergrößert - Thema dieser plakativ wirkenden Arbeiten: das Ende einer Entwicklung in der abendländischen Kunstgeschichte, die nahezu alles zum würdigen Gegenstand des klassischen Tafelbildes erhoben hat.

Gemäß dem künstlerischen Credo des Paares ("Wir wollen alles Gute und alles Schlechte in uns entdecken und es akzeptieren") geschieht hier eine Monumentalisierung des Schrecklichen, des Triebhaften, des Dämonischen. Grundlage dieser Kunst ist ein tränenloser Schmerz, wie das in dem Tableau im zweiten Obergeschoß "Rain On Us" deutlich wird, in dem zwei riesig vergrößerte Augen tränenlos zwischen ebenfalls riesig vergrößerten Regentropfen positioniert werden. Wolfgang Ölz

Makabre Familienfeier

"Das Fest" im Museumsquartier

Grzegorz Jarzyna legt sich für jede seiner Inszenierungen einen passenden Künstlernamen zu: Grzegorz Horst d'Albertis für "Bzik tropikalny" ("Tropenkoller") seiner Debutinszenierung 1997, nach der er - gerade erst dreißig - künstlerischer Leiter des Warschauer Teatr Rozmaito´sci wurde und nun H 7 für "Uroczysto´s´c - Das Fest", weil es seine siebente Regiearbeit ist.

Mit der Bühnenadaption von Thomas Vinterbergs und Mogens Rukovs berühmten Film begeisterte der polnische Regisseur das Wiener-Festwochen-Publikum im Museumsquartier - ein Gastspiel, das im Rahmen des Kulturprojekts "Polnisches Jahr in Österreich 2002" zustande kam.

Jarzynas Spiel mit den Pseudonymen steht für das Streben nach Wahrhaftigkeit in seinen Arbeiten. Kein Regietheater der spektakulären Ideen bietet sich, sondern Schauspielertheater mit einem ausgezeichneten Ensemble.

"Das Fest" wird ausgerichtet zum sechzigsten Geburtstag des Familienpatriarchen Helge. Dass eine Tochter sich kurz zuvor umgebracht hat, scheint die Stimmung nicht weiter zu trüben. Bis eine Laudatio des Sohnes Christian in eine Anklage kippt. Er wurde von seinem Vater sexuell missbraucht, wie auch seine Schwester, die, von Alpträumen heimgesucht, das Leben nicht mehr ertragen konnte. Während den Zuschauer bereits der Schrecken erfasst, geht auf der Bühne das Fest weiter, als wäre nichts passiert. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Sehr subtil entfaltet die Inszenierung ein unbehagliches Spiel der Kräfte. Ihre Faszination findet sich im Detail: in der Präzision, mit der seelische Wunden zum Vorschein kommen, wie Beziehungen fokussiert werden, und in der sich sukzessive verdichtenden, poetisch-dunklen Atmosphäre dieser Familientragödie.

Annemarie Klinger

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