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Sigmund Freud und die zeitgenössische Kunst.

Ein weißer Stuhl steht vor einem weißen Bild. Zunächst also nichts als Leere. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man auf der weißen Fläche eine winzige schwarze Figur. 'Der Mensch, der ins Bild flog", so der Titel einer Installation des russischen Künstlers Ilya Kabakov aus den Jahren 1987-89. Die beiden weißen Elemente bilden nur die eine Hälfte des Werks. Die andere Hälfte setzt sich aus einem alten Holztisch mit darauf liegenden Notizheften, einem hölzernen Sessel und einer die beiden Werkteile trennenden Barriere zusammen.

Kabakovs Installation lässt in mehrfacher Hinsicht Bezüge zu Sigmund Freud erkennen. Zum einen hat der Künstler seine Arbeit aus Objekten, die die Bewohner von Freuds Wohnung in der Berggasse 19 nach dessen Emigration benutzten, zusammengebaut. Zum andern geht es inhaltlich in 'Der Mensch, der ins Bild flog" um Momente, die mit Sigmund Freuds Schriften in Verbindung gebracht werden können. So lassen sich die beiden Hälften als Sphäre des Bewussten und Unbewussten, auch als Traum-und Wirklichkeitsebene interpretieren. Der Tisch steht für die kommunikative, sich erinnernde Seite des Menschen - die weiße Projektionsfläche mit der verschwindenden Figur für die Welt der sprachlosen Bilder und Metaphern.

Künstlerische Sublimierung

Ilya Kabakov gehört zu jenen gegenwärtigen Künstlern, die die Bedeutung Sigmunds Freuds für die eigene künstlerische Arbeit explizit betonen: 'Besonders wichtig in Freuds Lehre war für mich das Problem des ,Unbewussten'. Als Künstler habe ich immer geahnt, dass die ursprüngliche Energie, die Intensität, die Bilder selbst und einfach der Wunsch zu zeichnen, dass all das in jenem Raum wurzelt, den Freud als erster benannte und in den er als erster blickte. Das Konzept der Sublimierung leuchtete mir ein - die Übertragung der Wünsche und Phobien in Kunstwerke."

Kabakovs autobiografisch motiviertes Erinnerungs-Interieur ist eine von 13 Arbeiten aus der Sammlung zeitgenössischer Kunst des Sigmund Freud Museums, die anlässlich von Freuds 150. Geburtstag derzeit im Österreichischen Kulturforum in New York zu sehen ist. Die Sammlung geht auf das Jahr 1989 zurück, als der amerikanische Konzeptkünstler Joseph Kosuth zum 50. Todestag des Begründers der Psychoanalyse die Rauminstallation 'Zero & Not" realisierte. Gemeinsam mit der heutigen Direktorin des Freud Museums, Inge Scholz-Strasser, und dem Galeristen und heutigen Direktor des Kunsthauses Graz, Peter Pakesch, konnte Kosuth eine Reihe namhafter internationaler Künstler zu einer Schenkung gewinnen - darunter Jenny Holzer, John Baldessari, Georg Herold und Franz West. 1997 kam es im Zuge der Eröffnung der neu gestalteten Räumlichkeiten zur Ergänzung der bestehenden Sammlung durch Werke von Künstlern wie Clegg & Guttmann, Sherrie Levine und Heimo Zobernig.

Ambivalentes Verhältnis

Die kleine, aber hochkarätige Kollektion ist spannend, da hier durch Arbeiten wie Haim Steinbachs 'AHA!" (1997) oder Marc Goethals 'Le Nom-du-Père" (1996) ein Dialog zwischen Gegenwartskunst und Psychoanalyse stattfindet. Gerade durch die Beschränkung auf einige wenige, konzeptuell und interaktiv orientierte Kunstwerke lässt sich der ungemeine Einfluss, den Freud bis heute auf die bildende Kunst ausübt, konzentriert nachvollziehen.

Sigmund Freud haben bildende Kunst und Künstler fasziniert, seine Texte zur Kunst wie die legendäre Leonardo-Studie (1910) oder der Aufsatz 'Der Moses des Michelangelo" (1914) sprechen dafür. Allerdings ergibt sich bei der Lektüre der Texte ein ambivalentes Verhältnis Freuds zu Kunstschaffenden, meint der Kunsthistoriker Jack J. Spector in seinem Buch 'Freud und die Ästhetik - Psychoanalyse, Literatur und Kunst": 'Er äußert widersprüchliche Meinungen über Künstler - bald bewundert er sie und rät von dem Versuch ab, ihre geheimnisvolle Begabung ergründen zu wollen, dann wieder verspottet er ihren Infantilismus und bezeichnet ihre Leistung als eine Spielart sublimierter Sexualität." Ein schwieriges Verhältnis hatte Freud vor allem zur zeitgenössischen Kunst, wie er in einem Brief an André Breton 1922 schrieb: 'Obwohl ich von dem wachen Interesse, das Sie und Ihre Freunde meinen Studien entgegenbringen, weiß, fühle ich mich nicht in der Lage, mir klar zu werden, was der Surrealismus will und in was er besteht. Kann sein, dass ich nicht dazu geschaffen bin, ihn zu verstehen, ich, der ich soweit von der Kunst entfernt bin."

Faszinierender Dalí

Freuds Skepsis änderte nichts daran, dass sich zahlreiche Künstler auf den Vater der Psychoanalyse beriefen: René Magritte, Giorgio de Chirico, Marcel Duchamp, vor allem aber Paul Klee und Salvador Dalí, der mit Freud direkt zusammentraf und zu den wenigen zeitgenössischen Künstlern gehörte, die den Psychoanalytiker faszinierten. 'Freud lässt sich sogar in der Kunst von seinen Gegnern nicht verdrängen", so Thomas Zaunschirm, Kurator der 1989 Sigmund Freud gewidmeten Ausstellung 'Wiener Diwan".

Die Qualität der Kollektion 'Freud und zeitgenössische Kunst" liegt darin, dass man darin illustrierende Arbeiten über Leben und Werk Freuds vergeblich sucht und sich auf eine kunsthistorisch kurze Zeitspanne konzentriert hat. Im Vordergrund steht das Aufzeigen der Parallelen zwischen Kunst und Psychoanalyse, schrieb der langjährige Präsident der Sigmund-Freud-Gesellschaft, Harald Leupold-Löwenthal, im Vorwort des Katalogs zur ersten Präsentation der Sammlung 1989: 'Die Psychoanalyse als eine Psychologie der inneren Welt des Subjekts hat ganz dieselben Ziele wie zeitgenössische Kunst. Mit den Mitteln der Wissenschaft wie den Mitteln der Kunst kann versucht werden, die Welt der inneren Repräsentanzen in einem komplizierten Prozess sichtbar zu machen."

Inspirierende Couch

Es sind das Unabgeschlossene und die Aufforderung zum aktiven Mitwirken, die die Metall-Skulptur 'Liège" des österreichischen Starbildhauers Franz West im Kontext Sigmund Freuds so interessant erscheinen lassen. Wests metallene Liege zitiert formal Freuds legendäre Couch (die ab 5. Mai auch im Zentrum einer Ausstellung des Freud-Museums steht). Weit mehr noch bezieht sich West aber auf den Vater der Psychoanalyse, indem er sein Metallmöbel als Befindlichkeitshersteller begreift, das erst durch die Interaktion mit dem Betrachter seinen eigentlichen Zweck erfüllt.

FREUD AND CONTEMPORARY ART:

The Collection of the Sigmund Freud Museum Vienna

Austrian Cultural Forum, New York

Infos: www.acfny.org. Bis 8. Juli.

Der Katalog zur Ausstellung wird kostenlos im Freud-Museum abgegeben.

DIE COUCH. VOM DENKEN IM LIEGEN

Sigmund Freud Museum, Berggasse 19 1090 Wien. www.freud-museum.at

Von 5. Mai bis 5. November 2006.

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