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Geld aus Peking

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Aus Tirana wird gemeldet, daß in Kürze mit der Vertiefung der chinesisch -albanischen Wirtschafts -beziehungen zu rechnen sei. Der Warenaustausch hat 'auch bisher aus-gezeichraet''funkti(>niert? wie'dtes'aus einer amtlichen Mitteilung der Albanischen Handelskammer ersichtlich ist, die, von der bisherigen Praxis abweichend, eben in den letzten Tagen veröffentlicht wurde. In nächster Zukunft soll in Peking ein erweitertes, neues Handelsabkommen zwischen China und seinem einzigen europäischen Satelliten unterzeichnet werden. Eine albanisehe Wirtschaftsdelegation bereiste stoben Wochen lang China, um an Ort und Stelle die Möglichkeiten der Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu studieren. Die höchsten Funktionäre Albaniens gehörten zur erwähnten Delegation: die Politbüroniiitglieder Koco The-odosi und Adil Carcani, der verantwortlich als Stellvertretender Ministerpräsident für den Außenhandel ist, Theodosi ist hingegen Albaniens Industrieminister. Außerdem gingen noch mehrere Ressortchefs aus den Wirtschaftsmind'sterien nach China. Es wird in Tirana offen unter den ApparaitscMks davon gesprochen, daß diesmal ein „nicht-alltägliches“ Handelsabkommen erzielt wurde, das gar nicht ideologischer Natur sei, sondern einer großen Wirtschaftshilfe gleichkommen soll. Albanden lebt ja sowieso schon seit Jahren von Chinas Unterstütziumg. Tiranas „Neues Wirtschaftsmadeffi“ heißt Chinahilfe. Es mutet gewissermaßen komisch an, wenn dalbei von „gegenseitiger Unterstützung“ die Rede ist. Daß in diesem Fall keine handelspolitischen Überlegungen maßgebend seien, dürfte stammen. Albaniens Gegenleistungen sind weniger illusorisch und bestehen nur aus ideologisch-propagandistischen Leistungen gegen Chinas europäische Feinde.

Laut offiziösen Statistiken konnte der Warenaustausch zwischen China und Albanien in der Periode von 1961 bis 1965 verzehnfacht werden, im Vergleich mit dem zweiten albanischen Fünfjahrplan 1956 bis 1960. Dies war dadurch vollbracht, daß Peking im Jahre 1961 einen Kredit von 123 Millionen US-Dollar gewährt hatte. Nach dem Bruch zwischen Moskau und Tirana war es lebensrettend für Albanien. Vorher war ja die UdSSR Albaniens Haupthandelspartner und Gönner. Heute macht der Chimabandel mehr als 50 Prozent des ganzen albanischen Warenaustausches mit dem Ausland aus. In der Zeitspanne 1961 bis 1965 war Chinas Anteil sogar größer als 60 Prozent im albanischen Außenhandel. In den letzten drei Jahren ist Chinas Warenaustausch, mit Albanien gar nicht Meiner geworden, sondern Albaniens Warenaustausch mit nichtkommunistischen Ländern kannte gesteigert werden. Parallel mit der Abkühlung zwischen der Sowjetunion und einigen „sozialistischen Ländern“, wie mit Rumänien und Jugoslawien, stieg der Warenaustausch zwischen ihnen und Albanien. Und wie wenig der nüchterne Außenhandel „ideologische Vorteile“ berücksichtigt, zeigt der Fall Tiranas mit Rom. Die Beziehungen zwischen Italien und seiner einstigen „faschistischen Kolonie“ sind derzeit intensiver — auf vollkommen freiwilliger Grundlage — als je zuvor. Den Albanern ist es gelungen, in den vergangenen drei Jahren den Außenhandel mit der Türkei, Österreich, Ägypten, mit dem traditionelle, alte Beziehungen lebendig wurden, und mit Frankreich beträchtlich zu erweitern.

Aus dem chinesischen Kredit konnte Tirana zahlreiche wichtige Industrieprojekte in die Tat umsetzen. So wurden Düngemittelfabriken für Phosphat- und Nitratdünger, eine Traktorenbestandteil-fabrik, das „Mao-Tse-tung-Textil-kombinat“, ein Kupferveredelungswerk, Eisen- und Stahlfaforiken unter anderen erbaut. Gewisse Selbstlosigkeit kann den Chinesen nicht abgesprechen werden. Abgesehen davon, daß China zu den größten Importeuren von Nitrogen-Düngemitteln der Welt gehört, half Peking den Albanern, derartige Werke zu errichten.

Eine ganze Reihe von einer „neuen Generation von Fabriken“, die mit chinesischer Hilfe verwirklicht wird, befindet sich im fortgeschrittenen Baustadium in Albanien. Die wichtigsten sind: eine moderne Fabrik für Präzisionsinstrumente, eine öl-farbemfabrik, eine Glas- und Glühbirnenfabrik und mehrere EJektro-kraftwerke.

Auch andere Betriebsanlagen befinden sich im Planungsstadium, sie können jedoch nur mit einer kräftigen, neuen chinesischen Finanzhilfe realisiert werden. Uber Albaniens Verschuldung herrscht Still-schweigeiik Ohne sich in Spekulationen zu verirren kann man sagen, daß Albanien nicht in der Lage sei, mit seinen Warenliefenungen an China die bekommenen Kredite jemals zurückzuizalhlen. Zugegeben: Die albanischen Warenlieferungen konnten in den Jahren 1966 und 1967 erhöht werden, wodurch aber die Verschuldung Tiranas in Peking nicht kleiner geworden ist. Bemerkenswert ist dabei, daß Radio Moskau die Chinahilfe an Albanien zu bagatellisieren versucht hat.

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