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Kulturelles Faustrecht?

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In Wien wird ein Kampf um zwei Häuser in der Altstadt geführt, der eis Präzedenzfall nicht nur die Öffentlichkeit beschäftigt, sondern von dessen Ausgang es abhängen wird, ob man in Zukunft das bisher geheim und mit bekannten Methoden praktizierte Faustrecht, nämlich den widerrechtlichen Abbruch von denkmalgeschützten Objekten, auch offiziell und ostentativ ausüben kann. Der Abbruch der Sterngassenhäuser würde bedeuten, daß das Denkmalschutzgesetz praktisch wirkungslos, also das Denkmalamt überflüssig, und kein Bauwerk in Wirklichkeit vor dem Abbruch geschützt ist. Damit wäre aber die kulturelle Substanz unseres Landes und der Städte fast ausschließlich der Bau- und Bodenspekulation unserer „zweiten Gründerzeit” ausgeliefert.

Der Sachverhalt um die Sterngassen- häuser wurde leider meist halb, falsch oder nur oberflächlich dargestellt. Die Geschichte beginnt schon 1956, als die Magistratsabteilung 18 einen Bebauungsplan für die Erweiterung der Marc-Aurel-Straße ausarbeitete, worin man den Abbruch der beiden Häuser stillschweigend voraussetzt, ohne davon das Denkmalamt überhaupt nur zu verständigen. Es beginnt ein langwieriger Amtskrieg, mit der üblichen Verzögerungstaktik der betroffenen Stellen. Der Abbruch der Ruine des anschließenden Palais Sina bringt die ersten Schäden in der Feuermauer. Der Stadtplaner Prof. Rainer setzt sich für die Erhaltung der Häuser energisch ein. Das Unterrichtsministerium und das Kulturamt der Stadt Wien stellen je 50.000 S für Sicherungsarbeiten zur Verfügung. Aber gesetzlich kann kein Eigentümer gezwungen werden, eine Subvention anzunehmen! Die nachbarlichen Abbruchätbeiten beunruhigen die’Mieter immermehr. Eine Anzeige an die Baupolizei bewirkt den Räumungsbescheid. Der Bezirksvorsteher setzt sich für den Abbruch der Häuser ein, und die Mieter erhalten auffallend gute Ersatzwohnungen.

Die Zentralsparkasse will die Häuser ‘erwerben, um sie nach dem Muster „Blutgasse” zu renovieren. Interessenten wären genug vorhanden. Ein provisorischen Kostenvoranschlag ergibt die Instandsetzungssumme von 1,5 Millionen Schilling. 750.000 wären dem Eigentümer zumutbar, 580.000 stellt das Unterrichtsministerium zur

Verfügung, und das restliche Viertel erwartet man von der Gemeinde. Ein detaillierter Kostenvoranschlag wird in Auftrag gegeben.

Inzwischen aber kauft Baumeister Hahnekamp die Häuser offensichtlich für den sofortigen Abbruch. Wer die trostlose Zinsburg am Hohen Markt genau betrachtet worin auch Hahnekamp wohnt), sieht, daß diese schon jahrelang auf ihre „Vollendung” in Richtung Sterngasse wartet.

Die Demolierung wurde damit schon beschlossen, als die Häuser noch völlig intakt waren. Ohne Bewilligung begann man mit dem Abbruch der

Dächer. Der Bauzustand, als Ergebnis einer langjährigen „Arbeit”, schien genügend reif.

Der Demolierungsbescheid des Bundesdenkmalamtes bleibt aus. Man hat es auch nicht einmal als notwendig empfunden, darum anzusuchen. Vor einigen Tagen erklärte sich die Firma Issakides dem Bundesdenkmalamt bereit, beide Häuser zu kaufen und ihren ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Die „ökonomischen” Einwände sind damit widerlegt, und es besteht noch eine berechtigte Chance, diesen kulturellen Skandal aus der Welt zu schaffen.

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