6836929-1975_20_04.jpg
Digital In Arbeit

Gegen den Neubauwahn

Werbung
Werbung
Werbung

Das Tauziehen um ein Denkmalschutzgesetz in Österreich ist zwar bereits in seine Endphase geraten; daß das Gesetz aber noch vor den Wahlen das Parlament passiert, scheint im Moment unwahrscheinlich: Werden die Sozialisten, die dieses Gesetz natürlich mit den Stimmen der Oppositionsparteien beschließen wollen, diese Zustimmung jetzt bekommen...? „Als Regierungsvorlage liegt es allerdings bereits ausgedruckt vor“, bestätigt Denkmalschutzpräsident Dr. Erwin Thalhammer: „Front dagegen wird wohl nicht mehr gemacht werden. Dieses Gesetz bedeutet schließlich einen entscheidenden Fortschritt für die Situation des Denkmalschutzes!“

Im Wissenschaftsministerium, im Denkmalamt, im Gespräch mit den Gemeinden hat man sich denn auch bemüht, auf eine Gesprächsebene zu kommen und durch Verteilung von manchen „Zuckerln“ für das Gesetz Stimmung zu machen. Ein solches Zuckerl ist zum Beispiel die mit dem Finanzministerium erarbeitete

steuerrechtliche Regelung. Erstmals sollen Bauinvestitionen in Altbauten steuerrechtlich ebenso gefördert werden wie Neubauten: „Der Neubauwahn um jeden Preis, nur um der Steuerförderung wegen, ist damit hoffentlich gebannt“, findet Thalhammer, „ebenso der katastrophale Modernisierungswahn ohne Geschmack, die Demolierung alter Portale etwa, die in schönen Altbauten oft wie Granateinschläge wirken ...“

Entscheidender Hauptpassus des neuen Gesetzes ist der „Ensembleschutz“, das ist der Schutz künstlerisch und kulturell bedeutender Gruppen von Altbauten, die vor allem als Ganzheit eine erhaltens-werte Leistung ergeben. Dabei wird sich das Wissenschaftsministerium in Hinkunft in Streitfällen vor allem auf Gutachten eines neuen „Denkmalrates“ stützen. Thalhammer: „Vorläufig ist diese Institution nur namentlich genannt. Aber sie ist ein Schritt weg vom Autoritätsdenken der Behörde.“ Der Denkmalrat wird Fachleute des Denkmalschutzes, Kunsthistoriker, Architekten wie lokale Interessengruppen umfassen; er soll unabhängig, nicht weisungsgebunden sein. „Vor allem bei Abbruchwünschen, die ja ständig massiv und mit allen möglichen Interventionen auf uns niederprasseln, werden uns diese Entscheidungen eine große Hilfe sein.“ Und obwohl Thalhammer die Beispiele nicht ausspricht, weiß man nur zu genau, was er alles meint: die skandalösen Vorfälle rund um die geplante Demolierung des Semperdepots, die mutwilligen Aktionen, die zum Beispiel wegen der geplanten Neuverbauung hinter dem Palais Auersperg gestar-

tet wurden (die Gemeinde hob wegen der Neuplanung sogar diese Schutzzone im achten Wiener Gemeindebezirk auf, um sie nach der Abänderung wieder einzuführen!); die städtebaulich erschütternden Ergebnisse im Zusammenhang mit der Planung des Karlsplatzes.

Wozu wird da eigentlich ein Wiener Schutzzonenatlas vom Denkmalamt und der Gemeinde Wien gemeinsam erarbeitet? Das fragt man sich zu Recht. Aber Thalhammer bleibt trotz manchen schlechten Erfahrungen optimistisch: „Der Schutzzonenatlas kann keine gesetzgeberischen Konsequenzen haben. Aber er gibt wenigstens Hinweise auf wertvolle Substanz, auf Objekte und Ensembles, die erhalten werden müssen. Daß der Einzelfall zur Kampf- und Streitzone werden kann, wird er nicht verhindern können. Aber gerade mit der Gemeinde Wien arbeitet das Denkmalamt zur Zeit besonders positiv zusammen. Beim Zonenatlas wurden zum Beispiel beider Interessen koordiniert.“

Neu im Gesetzesentwurf ist übrigens auch die „Erhaltungspflicht“: Grundlage dafür ist die „wirtschaftliche Zumutbarkeit“. Wo sie nicht gegeben erscheint, wird in Hinkunft ein neues unabhängiges Gremium prüfen, ob der Eigentümer imstande ist, sein Objekt zu erhalten oder ob die öffentliche Hand helfen muß.

Fragt man Thalhammer nach Spe-zialaktionen zum Jahr der Denkmalpflege 1975, wehrt er ab: „Uns fallen ständig Großprojekte auf den Kopf. Extraaktionen können wir uns nicht aufhalsen, nicht leisten . . . Die Triumphsäulen der Wiener Karlskirche sind gefährdet, die Assanierung Laxenburgs geht weiter, -25 große Burgen und Schlösser müssen renoviert werden, der Turm des Stiftes Herzogenburg kostet ,etwa 9 Millionen, dazu die Grazer Altstadt, mehrere Kirchen in Salzburg, der Park von Schloßhof, die Kirche von Griffen... Dabei stehen uns eigentlich nur 39,6 Millionen zur Verfügung. Wichtig ist nur, daß man möglichst selten zu Konzessionen bereit ist, sich nicht in ein ,Da kann man nichts mehr machen' flüchtet!“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung