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Rudolfs Glück und Ende

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KRONPRINZ RUDOLF. Von Alfred Bu ttlar Moscon. Eduard Wancura Verlag, Wien-Stuttgart. 376 Seiten.

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KRONPRINZ RUDOLF. Von Alfred Bu ttlar Moscon. Eduard Wancura Verlag, Wien-Stuttgart. 376 Seiten.

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Ein Buch über Kronprinz Rudolf zu schreiben, setzt so etwas wie Mut voraus. Es gibt dabei zwei Wege: entweder man fügt den hundert Schriften der Boulevardliteratur die hundertunderste hinzu oder man faßt die Dinge mit gewissenhaftem Ernst an und bemüht sich. Neues zu schaffen. Neues? Seitdem Oskar von Mitis vor mehr als 30 Jahren „Das Leben des Kronprinzen Rudolf“ geschrieben hatte, mußte man annehmen, daß für den sachlichen Beurteiler die Akten geschlossen wären. Buttlar Moscon beweist uns das Gegenteil. Ehe er darangegangen ist, in dem biographischen Roman, der uns nun vorliegt, den Kronprinzen zu porträtieren, hat er das denkbar eifrigste Quellenstudium betrieben. Er trug zusammen, was sich in den Archiven fand, in den Aufzeichnungen von Stephanie Lonyay, Maria von Wallersee und Szeps, in den Werken von Corti, Richter, Weil, Polzer, Schaffer und anderer mehr, er suchte das Thema von allen Seiten zu beleuchten, um die Menschen und ihre Zeit lebendig zu machen. Kein Zweifel, die unzählige Male benützte Schablone zu vermeiden, war ungemein schwierig. Daß es ihm gelungen ist, ergibt sich aus Buttlars Persönlichkeit als Dichter und Kavalier. Er hielt es für richtig, die Stunden von Rudolfs Entschluß zu Tötung und Selbstmord und den

Augenblick seines eigenen Todes als Umrahmung der vielgestaltigen Handlung an Anfang und Ende zu setzen und dazwischen in der künstlerischen Technik, die wir heute „Rückblenden“ nennen, vom Leben des Kronprinzen zu erzählen. Das ist Geschmackssache, nicht wahr. Manchem Leser wäre vielleicht ein Abrollen der Geschehnisse in zeitlicher Reihenfolge lieber. Aber das Ineinandergreifen der Zeiten und Szenen hat eine ungemein fesselnde Wirkung. Der Leser steht wieder und wieder vor ganz neuen Situationen, die seine Anteilnahme erzwingen.

Den farbenreichen Hintergrund der Ereignisse bildet die hohe Politik mit dem tragisch getönten Abendleuchten eines großen Reiches. Sehr plastisch stehen davor die Figuren der Handlung, mit Schärfe und Liebenswürdigkeit, mit Menschen kenntnis und Humor gestaltet. Erstaunliches, wenig Bekanntes und noch Unbekanntes wird so überzeugend berichtet, daß die tiefgründigen Vorstudien des

Verfassers fühlbar sind. Volles Lob ver dient die Zeichnung der Umwelt vom Höfischen bis zum Wienerischen. Mit der Wiedergabe von Gstanzeln aus der zweiten Jahrhunderthälfte kann Buttlar das Verdienst in Anspruch nehmen. Lokal-

geschichtliches im Gedächtnis der Späteren zu verankern.

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