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Am Beispiel Sarajewo
Die Zuseherzahl bei der ersten „Zeit im Bild" ist von 34 auf 24 Prozent zurückgegangen, obwohl der Hochsommersturz üblicherweise bei 28 von Hundert zu stoppen pflegt. Will man, sobald die Frage nach dem besten Badewetter und dem dazupassenden Sun-Blocker zum Hauptproblem der Österreicher geworden ist, von Krieg und Tod beim Nachbarn in Not nichts mehr hören und sehen?
Sarajewo ist uns als Nachrichtenstichwort lästig geworden. Am Beispiel Sarajewo wird ein Grundgesetz der Massenkommunikation sichtbar: Gewöhnung schafft Desinteresse, legt sich zum Hunger nach Neuem, Überraschendem quer. Übersättigung, die zum Bume-rang wird: zuckende Geschützrohre, rauchende Häusertrümmer, weinende Frauen, blutende Kinder - kein Nachrichtenwert mehr, kein Schockeffekt, kein Handlungsauslöser.
Und doch muß endlich gehandelt werden. Am Beispiel Sarajewo läßt sich besonders trefflich auch die perfide Widersprüchlichkeit der europäischen Zivilisationsgeschichte ablesen. Nahe der Stadt sind Überreste einer Siedlung aus der jüngeren Steinzeit erhalten: uralter Kulturboden also! Die achte römische Legion lagerte hier, um Pax Romana zu hüten. Unter der Herrschaft der Osmanen erblühte das Gemeinwesen; prachtvolle Moscheen, Basare und Holzhäuser entstanden, wetteifern mit der christlich-orthodoxen Erzengelskirche um Schönheitspreise. 1967 brannte Prinz Eugen die Stadt nieder, die 200 Jahre davor die Ungarn geplündert hatten. Wer waren die Kulturträger, wer die Barbaren?
Die Österreicher leiteten nach der Okkupation von Bosnien-Herzegowina 1898 eine große Modernisierung ein, schufen das erste bosnische Parlament (Sabor). Aber Sarajewo wurde Mittelpunkt der antiösterreichischen Serbenbewegung. Hier traf die Todeskugel Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Reich. 1918 und wieder 1944 Jugoslawien angeschlossen, gehörte Sarajewo während der Nazizeit zum faschistischen Königreich Kroatien, wurde heftig bombardiert -von den Alliierten.
Heute bomben es die Serben tot. Halt, nicht „die Serben", von denen Zehntausende nicht müde werden, gegen den Wahnsinn dieses Krieges zu demonstrieren!
Und das ist der große Unterschied zwischen heute und einst: Krieg gilt nicht mehr als unvermeidbares Mittel der Politik, von Politikern unangefochten eingesetzt, von den Volksmassen geduldig hingenommen. Viele Serben wollen diesen Krieg nicht, und sie bringen es auch zum Ausdruck. Westliche Staaten wie Frankreich und Großbritannien, aus „realpolitischen" Gründen traditionelle Serbenfreunde, differenzieren heute, machen gegen Belgrad Front. Langsam, aber deutlich nimmt der Einfluß der Völker auf die Außenpolitik ihrer Staaten zu.
Das ist die Hoffnung unserer Generation und der Grund, warum uns kein Urlaubsparadies von Sarajewo ablenken sollte.
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