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Armut und Gold

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Die Gegensätze zwischen den armen und den reichen Ländern zeigten sich jetzt ganz offen auch auf der Jahresversammlung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. So begann die diesjährige Jahresversammlung der beiden internationalen Institutionen eigentlich schon am 20. September in Brüssel und nicht erst formell am 4. Oktober 1976 in Manila.

In Brüssel trafen einander am

20.September die EG-Finanzminister, um einen gemeinsamen Kurs der EG-Länder für Mandla festzulegen. Die Sprecher der einzelnen EG-Staaten wandten sich dann in Manila geigen eine weitere Aufblähung der Sonderziehungsrechte, da diese ein nicht ungefährliches Inflationspotential darstellen. Die EG-Länder versuchten auch eine Modifizierung der Goldverkäufe des Währungsfonds zu erreichen, etwa eine Aussetzung der Goldverkäiufe für drei Monate. Sie waren in diesem Punkt nur teilweise erfolgreich. Von 1977 an sollen die Goldverkäufe des Währungsfonds im Wochenrhythmus, statt wie bisher alle sechs bis acht Wochen, durchgeführt werden. Durch die kleineren Mengen, die dann jeweils auf den Markt kämen, soll der preisdrückende Effekt der Goldverkäufe des Währungsfonds reduziert werden.

Aber nicht nur die EG-Länder koordinierten ihren Kurs für Manila, ebenso trafen sich vor der Währungskonferenz die lateinamerikanischen Delegationen in San Francisco, um ihre Vorschläge für die sehr aktive „Gruppe der 24“ Entwicklungsländer vorzubereiten, die sich bereits am 1. Oktober in Manila versammelte. Auch die Finanzminister der Franc-Zone trafen bereits am

21.September in Paria zusammen und die Oommonwealth-Minister und NotenJbankchefs am 1. und 2. Oktober in Hongkong.

Die in der „Gruppe der 24“ vertretenen Entwicklungsländer erklärten ihre Unzufriedenheit mit der „kleinen Währungsfonidsreform von Jamaika“. Dieses Reformwerk ordnete in erster Linie das Wechselkurs -system und die Rolle des Goldes neu, wird aiber den Bedürfnissen der Entwicklungsländer, vor allem jener, die kein Erdöl exportieren, nicht gerecht. Für diese Entwicklungsländer ist. Jamaica nur der Anfang einer Reform. Daher forderten sie eine stärkere Erhöhung der Währungs-foodsquoten und damit mehr Einfluß und mehr Kredite für ihre Gruppe, eine neuerliche Zuteilung von Sonderziehungsrechten und eine Aufweichung der Kreditbedingungen von Währungsfonds und Weltbank.

Diese Forderungen der „Gruppe der 24“ wurden vom Generaldirektor des Währungsfonds, Witteveen, kritisiert, der eine Aufweichung der Kreditbedingungen strikt ablehnte, eine Aufstockung und neuerliche Zuteilung von Sonderziehungsrechten (die für Entwicklungsländer wie ein Devisenkredit wirken) als nicht aktuell bezeichnete. Schließlich meinte Witteveen, daß Sonderfinanzierungen von Zahlungsbilanzdefiziten nicht im Stil der letzten Jahre „auf ewig“ fortgesetzt werden könnten.

Einen starken, auch mit moralischen Argumenten fundierten Appell, die armen Nationen nicht zu vergessen, richtete der Präsident der Weltbank, Robert McNamara, an die reichen Imdustrienationen. Reiche und arme Nationen sollten die Debatte über nebensächliche Fragen hinter sich lassen und eine grundlegende Einigung über die Ausrottung der absoluten Armut vor dem Ende dieses Jahrhunderts herbeiführen. „Mehr als 900 Millionen Menschen leiden unter absoluter Armut, dabei handelt es sich um Menschen im Zustand völliger Entbehrung, die unter für unsere verfeinerte Phantasie und komfortable Lebensweise fast unfaßbar schmutzigen und entwürdigenden Verhältnissen einen Kampf ums nackte Überleben führen“, sagte er wörtlich.

Wieweit dieser Appell wirkte und nicht auf taube Ohren gestoßen ist, wird man spätestens dann erkennen, wenn es in der nächsten Zeit gilt, die Kapitalbasis der Weltbank großzügig zu verbreitern, wozu in erster Linie die reichen Länder berufen sind.

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