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Vernunft gebracht wird. Vielleicht kommen die Freunde in seinem Schiff auch langsam drauf, ihn, der eben nichts von der Seefahrt versteht und den sie nur auf die Kommandobrücke hinaufgestellt haben, weil er ein gelernter Richter und außerdem noch ein sehr schöner Mann ist, von dort oben wieder herunterzuholen und einem anderen, Befähigten, das Kommando über das Schiff zu überlassen.

Wer solche Hoffnung hegt, darf sich über die Verurteilung des ORF-Richter-Kapitäns Oberhammer durch das ORF-Gericht in der Causa ÖVP-Belangsendung nur freuen. Das Gefühl der Genugtuung gilt dem Sieg des rechtlichen Denkens, den die Berufskollegen des Richters auf der ORF-Kommandobrücke, die Richter des ORF-Gerichtes, herbeizuführen den Mut hatten.

Ihr Urteil ist ein Beweis dafür, wie richtig der Gesetzgeber gehandelt hat, als er eine Instanz schuf, deren Aufgabe es ist, über die Einhaltung eines so wichtigen Gesetzes, wie des Rundfunkgesetzes, mit der nötigen Autorität zu wachen. Jeder, der meint, daß eine Gesetzesverletzung vorliege, kann sich jetzt an diese Instanz wenden; und mit Erfolg, wie man sieht. (Bislang war nur das Salzamt für Klagen über den Rundfunk zuständig. Also ein Fortschritt.)

Mich persönlich bestärkt der Urteilsspruch der ORF-Richter in meiner Auffassung, die ich schon in der Rundfunkreformkommission durchs zusetzen versucht habe und an der ich jetzt erst recht festhalte: daß nämlich in allen Gremien, die über das größte und einflußreichste Massenmedium des Landes bestimmen, nicht die Politiker, sondern die Fachleute den Ausschlag geben sollten.

Die absolute Mehrheit der ÖVP im einstigen ORF-Aufsichtsrat war ebenso unkonstruktiv, wie es heute die absolute SPÖ-Mehrheit im ORF-Kuratorium ist — ja offenkundig sein muß, weil jegliche Macht ihrer Eigengesetzlichkeit unterliegt. Die Politiker — welcher Richtung auch immer — sollten nicht in dem hochmütigen Irrglauben verharren und diesen auch noch nach außen hin (vielleicht sogar wider innerste. Überzeugung vertreten, daß es ihnen gegeben sei, alles besser zu verstehen und daß nur sie imstande seien, über Land und Leute und einfach alles kraft ihrer parteilichen Sendung zu beschließen und zu bestimmen. Politiker können ebensowenig über Nacht „Medienspezialisten“ werden wie Richter. Umgekehrt würden es sich die Politiker arg verbitten, wenn Nichtpolitiker ohne Befähigungsnachweis durch ein Parteisekretariat in ihr Metier eingriffen.

Zum Unterschied vom ORF-Gericht hätte das ORF-Kuratorium eine Verurteilung Oberhammers gewiß nie Zustandekommen lassen. Warum? Weil im ORF-Gericht die Fachleute überwiegen und im ORF-Kuratorium eben leider die Politiker. Jetzt legt sich letzteres Gremium sogar mehrheitlich in die Quere, um die Konsequenzen aus dem Urteil gegen Oberhammer hinauszuzögern. Ein weiterer schlagender Beweis dafür, daß absolute Mehrheiten immer dazu verführen, Recht zu biegen und zu beugen und die Demokratie in ihrer Substanz anzugreifen. Wo einer sagen kann: Schluß der Debatte, da wird eo ipso auch ein Schlußstrich unter die Demokratie gezogen, denn diese lebt vom Konsens mit der Minderheit und nicht vom Diktat der Mehrheit. KURT DIEMAN

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