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Jung, schwarz und schön
Der Schuß, dem der Rev. Martin Luther King jr. zum Opfer fiel, zog weite Kreise und bestimmte auch das Schicksal von Arthur Mitchell, dem einzigen schwarzen Mitglied von Baianchines „New York City Ballet“, Am 4. April 1968, während er ein Flugzeug nach Südamerika bestieg, hörte Mitchell von der Ermordung Dr. Kings, und noch während des Fluges beschloß er, das Ballett — eine edle, disziplinierte klassische und schöne Kunst — nach Harlem zu bringen, wo seine ganze Familie lebte.
Der Schuß, dem der Rev. Martin Luther King jr. zum Opfer fiel, zog weite Kreise und bestimmte auch das Schicksal von Arthur Mitchell, dem einzigen schwarzen Mitglied von Baianchines „New York City Ballet“, Am 4. April 1968, während er ein Flugzeug nach Südamerika bestieg, hörte Mitchell von der Ermordung Dr. Kings, und noch während des Fluges beschloß er, das Ballett — eine edle, disziplinierte klassische und schöne Kunst — nach Harlem zu bringen, wo seine ganze Familie lebte.
Im Sport blieb es dem Baseball Vorbehalten, als erster die Rassenschranken zu überwinden, während dieses Privileg unter den Künsten dem Ballett zuflel. In zahlreichen Tanzgruppen haben schwarze Tänzer Gelegenheit gehabt, sich zu behaupten, und besonders in modernen Gruppen — man denke nur an Martha Graham, Paul Taylor oder Londons „Contemporary Dance Company“ — haben sie Ungewöhnliches geleistet. Außerdem gründeten unter anderem Pearl Primus, Eleo Pomarė oder etwa Katherine Dunham schwarze Gruppen, die sich allerdings fast ausschließlich modernem oder folkloristischem Tanz widmeten. Erst unter Arthur Mitchells Leitung’ kam ein schwarzes Ballett zustande. Bereits heute spricht man davon, daß sein „Dance Theatre of Har- lem“ in absehbarer Zeit als eines der bedeutensten amerikanischen Ballette gelten wird. Die Mädchen mit ihren langen Beinen, ihrer eleganten Art und ihrer raffinierten Technik haben zur Musik ein spontanes, unmittelbares Verhältnis, während man den Männern die verblüffende, natürliche Grazie ihres Leiters anmerkt.
Nur das Genie und die Aufopferung eines einzigen Menschen hat all das vollbracht. Arthur Mitchell hatte die Vision, brachte das Geld auf und unternahm gleichzeitig die Ausbildung der Tänzer. Er erkannte, daß „die Gruppe ohne die Schule, welche ihr die Tänzer liefert, nicht existieren kann — und daß anderseits die Schule ohne die Gruppe nicht ihren Zweck erfüllen würde. Die Tänzer müssen ein Beispiel vor sich haben und für ein bestimmtes Ziel ausgebildet werden“.
Das Hartem Dance Theatre ist bereits ausgiebig in den Vereinigten Staaten und den Karibischen Inseln gereist. Überall begegneten sie derselben Begeisterung und bezauberten das Publikum durch ihre Vielseitigkeit und ihre Verve. Zur Zeit befindet sich die Truppe auf ihrer ersten europäischen Tournee, die sie in Spoleto beim „Festival zweier Welten“ mit durchschlagendem Erfolg eröffnete, um danach die Schweiz, Holland und England zu besuchen.
Für die Choreographie der meisten Ballette zeichnet Mitchell selbst verantwortlich und sie sind stilistisch differenziert genug, um der Truppe Gelegenheit zur vollen Entfaltung zu bieten. Es ist bedeutsam und vielversprechend für die Zukunft der Gruppe, daß in jedem der Werke Linie, Stimmung und Gefühl besonders hervorgehoben werden. George Baianchines „Concerto Barocco“, ein Prüfstein für jede Tanzgruppe, das die Harlemtänzer mit einem ihnen eigenen Aroma verzaubern, und Jerome Roobins’ „Apres-midi d’un Faune“, von der zarten Abarca und dem wirkungsvoll narzistischen Clover Mathis getanzt — sind die einzigen Ballette, die nicht von Mitchell stammen, doch hat dieser schon einige Aufträge an namhafte Choreographen gegeben.
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