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Kriminelle Polizei

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Das Verschwinden zweier Deutscher, Peter Falk und Klaus Zieschank, in Argentinien erregt Aufsehen. Vor allem nimmt man es der Regierung des Generals Videla übel, daß sie den Fall nicht „aufklärt“. Am Rio de la Plata ist man der Ansicht, daß sie es nur allzu gern täte, aber dazu nicht in der Lage ist. Man findet täglich Tote, die viele Einschüsse aufweisen, in den Vororten von Buenos Aires. Bisher ist noch niemals auch nur ein Ermittlungsverfahren gegen einen der Mörder bekannt geworden.

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Das Verschwinden zweier Deutscher, Peter Falk und Klaus Zieschank, in Argentinien erregt Aufsehen. Vor allem nimmt man es der Regierung des Generals Videla übel, daß sie den Fall nicht „aufklärt“. Am Rio de la Plata ist man der Ansicht, daß sie es nur allzu gern täte, aber dazu nicht in der Lage ist. Man findet täglich Tote, die viele Einschüsse aufweisen, in den Vororten von Buenos Aires. Bisher ist noch niemals auch nur ein Ermittlungsverfahren gegen einen der Mörder bekannt geworden.

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Die sogenannte Todesschwadror ist eine inoffizielle Mördertruppe bestehend aus Polizisten, in Brasilien, wo aber zahlreiche Strafverfahren gegen Kriminalbeamte laufen, die entweder versickern oder mit der „Flucht“ des Täters aus dem Gefängnis enden. Die Opfer der Todesschwadron sind in der Regel Berufsverbrecher. Nachdem die Mafia eine Reihe von Polizeibeamten getötet hatte und die Täter nach zwei oder drei Jahren Gefängnis rückfällig wurden, haben Kriminalbeamte sich verschworen, ihre Feinde auf eigene Rechnung systematisch umzulegen. Davon zu trennen sind die Morde an politischen Gefangenen, die vor allem von der Militärpolizei in Säo Paulo begangen wurden, bis Präsident General Geisel kürzlich eine Säuberungsaktion durchführte.

Die Ermordung des venezolanischen Linkspolitikers Jorge Rodri-guez durch vier Funktionäre der Politischen Polizei („DISIP“) in Caracas, der für die Entführung des nordamerikanischen Industriellen William Richous verantwortlich gemacht wurde, liegt auf derselben Ebene. Nur haben der venezolanische Präsident Carlos Andres Perez und sein Innenminister, Octavio Lopago, sehr klar zum Ausdruck gebracht, daß die Infiltration krimineller Elemente in die Polizei „zuweilen unvermeidlich“ sei und die Mörder bestraft würden. In Argentinien hat Präsident General Jorge Videla wiederholt erklärt, daß der Staat das Monopol zur Durchsetzung des Rechts habe und er Gewalt von links und rechts ablehne. Aber es

fehlt ihm offensichtlich die Möglichkeit, die Usurpatoren der „Rechtsausübung“ zu kontrollieren.

Die Folterungen durch die Militär- oder Kriminalpolizei sind keine Erfindung der heutigen Diktatoren.

Als Uruguay vor 30 Jahren die Musterdemokratie Amerikas war, wurde eine Parlamentskommission eingesetzt, um Folterungen zu untersuchen. Es hatte mehrere Fälle gegeben, daß Leute Morde gestanden, der Verschwundene aber alsbald lebend auftauchte. Wenn man einen Kriminalbeamten nach den Gründen fragte, so antwortete er, daß er die Verdächtigen verfassungsmäßig nach 24 Stunden freilassen müsse, wenn sie nicht geständen — die Geständnisse wurden demnach erpreßt.

In den jetzigen lateinamerikanischen Diktaturen haben sich die Machtverhältnisse völlig verschoben. Die traditionelle Dreiteilung der Gewalten in Exekutive, Legislative und Justiz ist praktisch verschwunden. Die Generale ersetzen alle drei und haben als Gegengewicht die Guerilla von links und eine unbotsmäßige illegale Funktionärsgruppe auf der Rechten. Diese Rechtsextremisten sind als Reaktion auf die Linksterroristen entstanden, weil Elemente der Polizei und des Heeres befanden, daß sie mit legalen Mitteln der Terroristen nicht Herr werden konnten. Feme ersetzt die versagende Staatsgewalt. Hinzu kommt, daß durch den stillen Bürgerkrieg auf der einen Seite und die Arbeitslosigkeit auf der anderen nicht gerade das beste Menschenmaterial in der Militärpolizei dient. Der Irrtum, den man in der Bundesrepublik bei der Behandlung dieser Fälle beobachtet, ist, daß man einige Regierungen für schuldig an Vorgängen hält, die sich oft nicht nur ohne, sondern gegen ihren Willen entwickelt haben. Die Regierungen wollen weder entführen noch morden, nur werden sie mit den Entführern und Mördern nicht fertig.

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