So dürfen wir nicht sein
Postenschacher gab es schon immer – doch nun ist er fein säuberlich dokumentiert. Was die „Casinos“-Chatprotokolle für die politische Kultur und jede kommende Regierung bedeuten.
Postenschacher gab es schon immer – doch nun ist er fein säuberlich dokumentiert. Was die „Casinos“-Chatprotokolle für die politische Kultur und jede kommende Regierung bedeuten.
Es sei ein „verstörendes Sittenbild“, meinte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Mitte Mai zu jenem Video, das gerade die Republik auf den Kopf stellte. Doch das, was hier auf Ibiza zu sehen sei, werde nicht dem ganzen Land gerecht: „So sind wir nicht“, versicherte der Präsident.
Er hatte Recht. Dass ein Spitzenpolitiker wie Heinz-Christian Strache – wenngleich im Sommer 2017 noch in Opposition – einer unbekannten Oligarchin vor laufender Kamera Macht, Einfluss und eine Zeitung verspricht, ist singulär in der österreichischen Geschichte. Und dass ebendieser Politiker später als Vizekanzler dumm genug ist, personelle Deals in WhatsApp-Gruppen zu kommunizieren, ebenso. Das Sittenbild, das die von Presse, Falter und ORF zuletzt veröffentlichten Chat-Protokolle zur Bestellung Peter Sidlos in den Vorstand der Casinos Austria zeichnen, ist gleichsam die logische Weiterführung und Vervollkommnung der schummrigen Bilder aus Ibiza. (Wobei das geheime Video offenbar doch nicht nur „zivilgesellschaftlich motiviert“ war, sondern Strache damit erpresst werden sollte. Aber dieser Umstand, der schleunigst aufgeklärt werden muss, relativiert das Dargebotene in keiner Weise.) Was in dieser feuchtfröhlichen Nacht auf Ibiza noch herbeifantasiert wurde, wird in den SMS-Protokollen erschreckend konkret: Endlich kann man das tun, was die anderen schon seit jeher tun: Posten besetzen, wie es einem passt.
Personeller Verschubbahnhof
Womit wir an dem Punkt angelangt wären, an dem sich der Bundespräsident in seiner Generalabsolution („So sind wir nicht!“) geringfügig irrte. Wie eine Erhebung des Politologen Laurenz Ennser-Jedenastik und der Rechercheplattform Addendum zeigt, hat noch jede Regierung seit Vranitzky die Kunst des Umfärbens beherrscht und die Führungsetagen staatsnaher Betriebe zum personellen Verschubbahnhof gemacht.
Vertrauensleute einzusetzen ist natürlich kein Verbrechen. Auch in den USA wechselt mit den Präsidenten die Administration. Doch anders als dort geschieht das in Österreich meistens klandestin. Das Problem ist und bleibt also mangelnde Transparenz.
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