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„Pop-Passion“ in Baden

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Scharen von Jugendlichen strömen an einem strahlenden Sonntagnachmittag ins Stadttheater Baden - gibt es eine besonders interessante Kino- oder Theatervorstellung? Nein, der Andrang gilt dem Versuch von Schülern des Bundesgymnasiums und des Bundesrealgymnasiums Baden, die Botschaft vom Leiden und von der Auferstehung Jesu in ihrer Sprache zu verkünden. Diese „Pop-Passion“ war zunächst als Veranstaltung in der Schule konzipiert, die eine Einstimmigkeit in das Geschehen der Kartage und der Ostemacht bringen sollte. Die Vorstellung im Stadttheater Baden ermöglichte es einem breiteren Publikum, die Aussage der Schüler kennenzulemen.

Vor der Vorstellung herrscht im Theatersaal jene Atmosphäre, die der

Freizeitwelt vieler Gymnasiasten entspricht: Aus Verstärkern tönt rhythmischer Sound, der an die Musik der Diskotheken erinnert. Mit der ersten Szene, dem Einzug in Jerusalem, wird aber deutlich, daß die Autoren der Pop-Passion das Anliegen und die Herausforderung der Botschaft Christi erkennen: Aus dem Widerspruch eines Pharisäers, der die Feier der Jünger Christi stört, entwickelt sich eine Auseinandersetzung zwischen den Anhängern und Gegnern Christi - der Mißklang nimmt das „Crucifige“ vorweg. Hier zweigen sich die Alternativen, die sich aus der Radikalität des Anspruches Jesu ergeben: Zwischen dem Ja und Nein gibt es, nimmt man das Evangelium ernst, keinen Mittelweg. Eine prägnante Formel fanden die Schüler für den Inhalt der Abschiedsrede Jesu beim Abendmahl - „Täuscht euch nicht in dieser Welt, Liebe ist’s, die euch zusammenhält.“ Das Motiv bleibt durch ■ die Wiederholung des Textes und den markanten Rhythmus im Gedächtnis.

Alle Darsteller (bis auf Jesus) treten in Jeans auf, der Uniform der Jugendlichen; dadurch wird für jüngere Besucher die Identifizierung mit den Akteuren der Leidensgeschichte zwingend. Eindrucksvoll die Darstellung der Kreuzigung, der Wechsel von Kreuzigungsbildern alter Meister mit Aufnahmen vom Elend der Menschen, vor allem durch Hunger und Krieg; durch jede Mißachtung der Menschenrechte wird der Kreuzestod Christi schuldhaft erneuert. Das Verhör Jesu und die Verhandlung vor Pilatus wird mit einer Schachpartie zwischen dem Statthalter und dem Hohenpriester kombiniert; dabei fallen der Urteilsspruch und das

Matt zusammen. Hier wird die Nichtbeachtung des Anrufes Christi bewußt, die in einer „aufgeklärten Epoche“ weit verbreitet ist. Alltagserfahrungen werden auch für den Spottreigen um Jesus während der Gerichtsverhandlung verwertet: Im Refrain „Du bist dumm … deshalb mußt du sterben“ erscheint das Verhalten der leistungsorientierten Gesellschaft, in der jeder, der schwach oder nicht erfolgreich ist, als dumm abgetan und ausgestoßen wird.

Im Gegensatz zum Musical „Jesus Christ Superstar“, an das die Gestaltung der Abendmahlsszene erinnert, endet die Badener Pop-Passion nicht mit dem Kreuz (und der Hoffnungslosigkeit). In der Schlußszene wird jene Hoffnung deutlich, die aus der Überwindung des Kreuzes durch die Auferstehung wächst und die duch dem Leid erst seinen Sinn gibt,

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