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Wenig Chancen zur Entspannung

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Die SED-Zeiitschrift „Einheit“ sucht zu beweisen, daß die Kampfbereitschaft der Streitkräfte der Bundesrepublik höher sei als jene der NVA der DDR, und vergleicht zu diesem Zweck den DDR-Wehretat mit dem Gesamtaufwand der NATO. Dabei stehen in der DDR von 10.000 Bürgern 290 unter Waffen, während es in der angeblich militarisierten Bundesrepublik nur deren 83 sind.

Tatsache ist: Der Warschauer

Pakt und insbesondere die DDR rüsten ohne Rücksicht auf die internationalen Entspannungsbemühungen weiter auf. Die neuesten Zahlen sehen so aus:

• Der Warschauer Pakt hält in Polen, der DDR und der CSSR über

900.000 Soldaten und rund 20.500 Kampfpanzer bereit. Hinzu kommen weitere 370.000 Mann und 8000 Kampfpanzer in den drei westlichen Militärbezirken der Sowjetunion.

• In Westeuropa stehen dagegen nur

620.000 Soldaten und 6600 Kampfpanzer.

• Den 4600 Flugzeugen des Warschauer Paktes in Mitteleuropa kann die NATO nur 1200 gegenüberstellen.

• Bei den Seestreitkräften ist der Warschauer Pakt der NATO im Verhältnis 3,5:1 überlegen.

Nach Auffassung der Ostberliner SED-Führung besteht für die „Nationale Volksarmee“ keinerlei Grund, in der militärischen Stärkung des Sozialismus nachzulassen. In einer Grußadresse des Zentralkomitees an das Parteiaktiv der NVA aus Anlaß des 25. Jahrestages der Gründung der DDR macht die Parteileitung deutlich, wie sehr sie sich auf die Armee stützt. Zugleich erklärt die Einheitspartei, sie werde die Entwicklung der sozialistischen Landesverteidigung und den Beitrag der DDR zur Stärkung der Verteidigungskraft der sozialistischen Staatengemeinschaft immer als eine der wichtigsten Aufgaben betrachten. Die NVA-Soldaten werden vom ZK

aufgefordert, Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft weiter zu erhöhen, das Zusammenwirken mit der Roten Armee und den anderen Ostblocktruppen zu vervollkommnen und „die Aufgaben der Grenzsicherung exakt zu lösen“.

In diesem Zusammenhang ist unbestreitbar: ein wesentlicher Faktor bei den Rüstungsbestrebungen des Ostblocks ist die DDR. Sie gibt für ihre Rüstung prozentual doppelt soviel aus wie die Bundesrepublik. Knapp 800 Mark muß jeder der

17 Millionen Deutschen in der DDR jährlich für die Rüstung auf den Tisch des SED-Regimes legen. In der Bundesrepublik dagegen liegt der finanzielle Verteidigungsbeitrag jedes Einwohners trotz höheren Pro- Kopf-Einkommens nur bei 368 DM.

Es ist auch eine Tatsache, daß die DDR seit 1960 ihren Rüstungshaushalt nach und nach verfünffacht hat Aufwendungen für militärische

Forschung und Entwicklung sind dabei nicht berücksichtigt. Immerhin hält die DDR bei einer Einwohnerzahl von nur 17,3 Millionen 1,092.000 Menschen unter Waffen. Im einzelnen sieht das so aus:

• 215.000 Mann Soldaten der NVA,

• 400.000 Mann Betriebskampftruppen,

• 27.000 Mann Polizeitruppen,

• 450.000 Mann ausgebildete Mitglieder der Gesellschaft für Sport und Technik.

Dagegen zählt die aktive Bundeswehr bei 50 Millionen Einwohnern rund 460.000 Soldaten. Die „Nationale Volksarmee“ der DDR ist also mit ihren zahlreichen militärischen Gliederungen den Streitkräften der Bundesrepublik zahlenmäßig weit überlegen. Auch gehört die NVA zu den schlagkräftigsten Armeen des Warschauer Paktes und würde, entsprechend den Einsatzplänen, im Kriegsfall sofort in die militärischen

Operationen in Mitteleuropa eintoe- zogen werden.

Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang bleiben, daß die „Gruppe sowjetischer Streitkräfte in Deutschland“ (GSSD) in letzter Zeit erneut wesentlich verstärkt worden ist. Im westlichen Verteidigungsbündnis bisher \mbekannte Panzerhaubitzen übertreffen mit einer Schußweite von 24 Kilometern die in den Brigaden der NATO gebräuchlichen M-109-Haubitzen (Schußweite 18 Kilometer). Die neuen sowjetischen Haubitzen vom Typ D-30 haben ein 122HMillimeter-Kaliber und sind auf dem Fahrgestell des schwimmfähigen Kampfpanzers PT 76 angebracht. Statt der bisherigen durch Lkw gezogenen sechs Geschütze erhält nun jedes der 40 in der DDR stationierten sowjetischen motorisierten Schützenregimenter ein komplettes Artilleriebataillon zu 18 Panzerhaubitzen. Aus zuverlässiger Quelle wurde bereits bekannt, daß sich das Ostberliner Verteidigungsministerium um diesen neuen sowjetischen Waffentyp bemüht.

Auf Veranstaltungen zum 25. Jahrestag der DDR hat SED-Chef Erich Honecker nachdrücklich die Verstärkung der militärischen Streitkräfte der DDR und des Warschauer Paktes gefordert. Honecker erklärte, er schätze die „Klassenkampfsituation real und ohne Illusionen ein“: „Solange der NATO-Bloek besteht und keine wirksamen Abrüstüngs- maßnahmen verwirklicht sind, halten es die Länder des Warschauer Vertrages für notwendig, ihre Verteidigungsfähigkeit zu stärken.“

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