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Schießen in der Schule

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In der DDR zeichnet sich eine zunehmende Militarisierung des gesamten schulischen Lebens ab. In letzter Zeit wurden an den ostdeutschen Schulen neben der obligatorischen vormilitärischen Ausbildung neue „Formen und Methoden“ der sozialistischen Wehrerziehung eingeführt, die das Ziel haben, Wehrbereitschaft und Wehrbewußtsein der Schüler zu erhöhen und sie allseitig auf den Wehrdienst vorzubereiten.

Die Ausbildung wird in der vormilitärischen Massenorganisation der „Gesellschaft für Sport und Technik“ (GST) organisiert, die zur Zeit ein entsprechendes Programm entwirft. Bisher konzentrierte sich die wehrsportliche und vormilitärische Tätigkeit der GST auf die Ausbildung der vierzehn- bis ächtzehnjährigen Jugendlichen. Der Chef der GST, Generalmajor Günter Teller, hat j>e'tzt in Ost-Berlin angekündigt, seine Gesellschaft werde in enger Zusammenarbeit mit der kommunistischen Kinderorganisation, der FDJ und den Organen der Volksbildung „frühzeitig und in weitaus größerem Umfang Junge Pioniere und Schüler“ in ihre Tätigkeit einbeziehen und sie „kontinuierlich sowie mit der erforderlichen Leistungssteigerung über die verschiedenen Altersstufen hinweg“ bis zum Wehrdienst führen.

Schon heute hat die vormilitärische Erziehung in den mitteldeutschen Schulen ein für westdeutsche Verhättniisse-wftgeheures Ausmaß. So wurden an zahlreichen zehnklassigen polytechnischen Oberschulen sogenannte „Junge-Soldaten“-Klubs gebildet, die den Schülern den Soldatenberuf schmackhaft machen sollen.

Wie früh die Indoktrinierung der Kinder in der DDR beginnt, verdeutlichen nicht zuletzt die Unterrichtsmethoden in den Schulen. Für die Vorbereitung auf den Militärdienst eignen sich der gesellschaftswissenschaftliche und der Geschichtsunterricht am besten: „Der Geschichtsunterricht nach den neuen Lehrplanen ist also unter dem Aspekt der sozialistischen Wehrerziehung ideologische Vorbereitung der Jugendlichen auf den aktiven Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee und in den anderen Streitkräften der DDR.“ So geschrieben in „Trommel“, Zeitung für Thälmann-Pioniere und Schüler.Auch die Schießausbildung der ostdeutschen Schüler ist verstärkt und zum Teil in den wehrsportlichen Unterricht integriert worden. An den Grundschulen Magdeburgs wurden im vergangenen Jahr auch die Schülerinnen in die Schießausbildung mit dem KK-Gewehr einbezogen. Bei „Pionier“-Manövern in Ostdeutschland liest man in den Kinder- und Jugendzeitungen der DDR immer häufiger die Worte „Alarm“, „Tarnen“, „Entfernungsschätzen“, „Umgehen von Minenfeldern“, „Spähtrupp“ und „Schießstand“. Einzelheiten über den Ablauf solcher Kriegsspiele, bei denen in der Regel Kampfsituationen aus Bürgerkriegsaktionen während der zwanziger Jahre, aus dem spanischen Bürgerkrieg, aus der sowjetischen Partisanenkriegsführung im Zweiten Weltkrieg oder aus Warschauer-Pakt-Manövern nachgespielt werden, beschreiben die Tageszeitungen der DDR in letzter Zeit immer häufiger.

Doch trotz der verstärkten Bemühungen der SED, der ostdeutschen Jugend ein hohes sozialistisches Wehrbewußtsein zu vermitteln, mangelt es einem Teil der Jugendlichen in der DDR offenbar immer noch an „persönlicher Wehrbereitschaft“. Das geht aus einer Ost-Berliner Untersuchung hervor. Zwar bestehe im allgemeinen Klarheit über die Notwendigkeit und die Erfordernisse der sozialistischen Landesverteidigung, sie dringe jedoch nicht immer „bis zum Bewußtsein der eigenen persönlichen Verantwortung vor“, wurde festgestellt. Nicht zu-' letzt auch aus diesem Grunde will die kommunistische Kinderorganisation der FDJ ihre politische Aufklä-rungs- und Überzeugungsarbeit unter den Kindern in der DDR bedeutend verstärken. Der Sekretär des Zentralrates der FDJ und Chef der Kinderorganisation, Egon Krenz, verlangte auf einer Funktionärstagung der Pionierorganisation eine „offensive Auseinandersetzung mit dem Imperialismus und allen Erscheinungsformen seiner Ideologie, insbesondere dem Antikommunis-mus, dem Nationalismus und dem Sozialdemokratismus“. Den „Jungen Pionieren“ soll „überzeugend bewiesen“ werden, „daß die Politik der friedlichen Koexistenz eine Form des Klassenkampfes ist und daß sich der ideologische Kampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus verschärft“.

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