6773873-1969_14_09.jpg
Digital In Arbeit

Schneeballe gegen Spione...

Werbung
Werbung
Werbung

Der letzte Tanz der „Manöverbälle“ für Kinder ist vorüber — „Manöver Schneeflocke II“ ist zu Ende, an dem in der „DDR“ fast zwei Millionen Kinder teilgenommen haben. Diese von der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED) im kommunistisch regierten Teil Deutschlands organisierte wehrsportliche und wehrpolitische Massenveranstaltung für Jungen und Mädchen der ersten sechs Schulklassen entsprach ganz den Manövern, wie sie für militärische Verbände in allen Ländern durchgeführt werden. Es gab während der ersten drei Monate dieses Jahres in der „DDR“ nicht nur an jeder Grundschule einen „Mainöver-stab“, dem Kommandeur, Chef des Stabes, Chefsanitäter, Chef der Kundschafter und ein Chef für rückwärtige Dienste angehörten — genau nach sowjetischem Vorbild gab es auch einen Polit-Stellvertreter in jedem dieser „Manöverstäbe“. Dem unvoreingenommenen Beobachter fällt es natürlich schwer, sich einen dreizehnjährigen „Chef des Stabes“ vorzustellen, der „Angriffsoperatio-

„Schneeflocke“-Manöverthema im Rahmen der „Verteidigung unserer Heimat“ waren für „Thälmannpioniere“, in der eigens für die zehn-bis vierzehnjährigen gebildeten militanten Kinderorganisation der „DDR“ in Thüringen u. a.: „Zerschlagung des Kapp-Putsches im Räume Zella-Mehlis“ oder die „Vernichtung einer vom ..westdeutschen Geheimdienst eingeschleusten Diversionsgruppe“. Während das Manöver „Schneeflocke II“ vor allem in den im Februar liegenden Winterferien stattfand, begannen die Vornen“ vorbereitet oder einen kindlichen „Chef“, der für die gesamte technische Ausrüstung verantwortlich ist.bereitungen selbst schon in der Schulzeit. So brachten die Wandzeitungen der Schulen im Räume Zella-Mehlis die „Kampfaufträge“ verschlüsselt. Daß sie deshalb zum Teil in Morseschrift verfaßt waren, machte nur wenigen Kindern Schwierigkeiten. Das Morsealphabet lernen viele „DDR“-Schulkinder nämlich schon in -der vormilitärischen Ausbildung. Um die „Aufträge“ zu erfüllen, mußten sich die Kinder mit dem Verlauf des 1920 durch einen Generalstreik zusammengebrochenen „Kapp-Putsdhes“,einem rechtsradikalen Umsturzversuch, vertraut machen und ihre Ski-sowie Winterausrüstungen für die einzelnen Manöverübungen bereithalten.

Das militärische Erziehungsprogramm von „Schneeflocke II“ war weit gespannt. Neben kindlichen Schneeballschlachten und für die Kinder strapaziösen Skigeländemärsehen gab es auch Übungen, wie die im Erzgebirge zwischen Lengsfeld und Wünschendorf, wo eine Kindereinheit Flugblätter über eine im Gelände markierte Linie zu bringen hatte, während die aufgestellten Wachposten versuchen mußten, die Flugblatttransporteure zu stellen. Es gab auch „zünftige Manöverbälle“ mit einem eigens dafür komponierten „Schunkelwalzer“ und regelrechte „Manöverkritiken“ in Form größangelegter politischer „Aussprachenachmittage“, in denen alle kommunistischen Thesen und Argumente gegen „Monopolkapitalisten“ und gegen „Revanchisten“ von den Kindern unter Anleitung erwachsener SED-Funktionäre diskutiert wurden.

Das Kindermanöver lief im Rahmen der Aktion „Signal DDR 20“, die bis zu Pfingsten in der gesamten sowjetischen Besatzungszone abgehalten wird, um die Jugendlichen von 14 Jahren an aufwärts durch vormilitärische Grund- und technische Laufbaihnausbildung auf den aktiven Wehrdienst vorzubereiten und die „Sozialistische Wehrmoral“ zu vertiefen.

Damit sich die Parolen und Absichten der Aktion leicht in Herzen und Hirne der jungen Deutschen zwischen Werra und Oder einprägen, hat die SED eigens für „Signal DDR 20“ ein Lied schreiben lassen, die obligate alberne Tendenzreimerei: „Nehmt die Waffen fest zur Hand — und lernt, denn noch ist Zeit: der Klassenfeind ist euch bekannt — und für die Heimat seid bereitf“ Die „Gesellschaft für Sport und Technik“ — in der „DDR“ firmiert sie als „GST“ — besteht seit 1952 als Organisation für die vormilitärische Ausbildung männlicher und auch weiblicher Jugendlicher. Zunächst unterstand sie — nach sowjetischem Muster gegründet — dem Ostberliner Innenministerium. 1956 übernahm die Oberleitung das „Ministerium für Nationale Verteidigung“. Seit 1. Februar 1968 kommandiert die „GST“ der frühere Jugendoffizier der Kasernierten Volkspolizei, der Vorgängerin der Nationalen Volksarmee, der jetzt etwa 43 Jahre alte Generalmajor der NVA Günther Teller. Ihm ist die spezielle Aufgabe gestellt worden, Methoden zu entwickeln, die der Jugend mehr Wehr-freunde anerziehen als bisher. „Signal DDR 20“ dürfte eine solche Methode sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung