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Schleinzers erste Runde .
Er hat keine bequeme Aufgabe übernommen, der neue Hausherr in der Kärntnerstraße, Dipl.-Ing. Dr. Karl Schleinzer, der nun bereits seine ersten Runden in der neuen Funktion gedreht hat. Wohl genießt er in Öffentlichkeit und Partei noch „Schonzeit“, doch spähen eben diese Öffentlichkeit und eben diese Partei lauernd nach den ersten Konturen des neuen Generalsekretärs, der selbst warnte, er werde „kein bequemer Generalsekretär' sein.
Er hat keine bequeme Aufgabe übernommen, der neue Hausherr in der Kärntnerstraße, Dipl.-Ing. Dr. Karl Schleinzer, der nun bereits seine ersten Runden in der neuen Funktion gedreht hat. Wohl genießt er in Öffentlichkeit und Partei noch „Schonzeit“, doch spähen eben diese Öffentlichkeit und eben diese Partei lauernd nach den ersten Konturen des neuen Generalsekretärs, der selbst warnte, er werde „kein bequemer Generalsekretär' sein.
Schleinzer befindet sich zweifellos in einer undankbaren Funktion. Dies geht sowohl auf personelle wie auch auf sachliche Gründe zurück:
• Sein Vorgänger Dr. Withalm war eine äußerst starke und ausgeprägte politische Persönlichkeit, die zehn Jahre lang das Bild des ÖVP-Gene-ralsekretärs bestimmt hat.
• Dieser Vorgänger residiert nun an seinem früheren Wirkungsbereich mit dem gleichen Apparat. Hier sind zweifellos Reibungsflächen vorhanden.
• Dr. Schleinzer ist der erste Generalsekretär, der eine Volkspartei in der Minderheit (und in der Opposition) übernimmt.
Das bedeutet eine gesteigerte Erwartung innerhalb der Partei. Insbesondere glaubt man nun an das Wunder, daß alle seit Jahren ausständigen Reformen in kürzester Zeit durchgeführt werden. Erste Reden, erstes Auftreten und erste Kontakte lassen bereits auf das Profil schließen, das Schleinzer gewinnen möchte. Er machte schon sehr deutlich, daß er eine Verlängerung einer agrarpolitischen Vergangenheit anstrebt. Das merken vor allem die Bauernbundführer, die Schleinzers Aktivitäten auf diesem Gebiet nun missen müssen (was dem einen oder anderen ehrgeizigen Funktionär nicht ungelegen kommt). Seine ersten Kontakte mit der Parteiorganisation waren mehr als die üblichen Höflichkeitsbesuche. Zwar suchte auch Schleinzer nach good will, in der Hauptsache aber ging es Ihm um die Demonstration eines neuen Stiles. Daß sein erster Informationsbesuch in die Bundesleitung des ÖAAB ging, war offensichtlich wohl überlegt.
Bei aller zur Schau getragenen Loyalität gegenüber seinem Vorgänger entwickelt Schleinzer einen sehr spezifischen Arbeitsstil. Den neuen Stil merkt vor allem seine Umgebung. Hier handelt es sich nicht bloß um den bekannten Effekt des „neuen Besens“, sondern um die Anwendung einer Arbeitsweise, die bereits aus früheren Tätigkeitsbereichen Schleinzers bekannt ist. Der neue Generalsekretär hat auch Withalms Wort, zehn Prozent der Arbeitszeit der Öffentlichkeit zu widmen, ernster genommen als manche anderen ÖVP-Politiker. Er entwickelt dabei einen schwer definierbaren Stil, der ihm vorläufig auch bei Skeptikern gute Zensuren einbringt. Am ehesten läßt sich Schleinzers Art als „distanzierte Partnerschaft“ umschreiben.
Seine Taktik gegenüber dem politischen Gegner ist nur fühlbar. Offensichtlich wird unter Schleinzers Einfluß die Oppositionspolitik der ÖVP überlegter. Wie seine Äußerungen, etwa vergangene Woche in Salzburg, beweisen, werden die Frontalattacken gegen einen Feind, den man zunächst weder aus den Angeln heben will noch kann, bis auf weiteres zurückgestellt werden. Schleinzer probt bei aller politischen Härte adäquatere Verhaltensweisen, die nach seinem Wunsch stiller, aber wirksamer sein sollen. Seine strategischen Absichten lassen sich nur konturenweise erkennen: Die Oppositionszeit soll nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz dauern. So lange, daß die innerparteilichen Strukturverbesserungen ohne Regierungsbelastung durchgeführt werden können, so kurz, daß sich die neuen Herren nicht so weit etablieren können, daß ihre Führungsrolle unbestritten wird. An die Stelle des konstanten „Fortissimo“ soll nach Schleinzers Absichten ein temperiertes „Crescendo“ treten. Allerdings muß er mit seinem Apparat beweglich bleiben, die Möglichkeit einer vorzeitigen Neuwahl muß bei allen Erwägungen der Volkspartei einkalkuliert werden.
Eine Bewährungsprobe werden auf jeden Fall die Vorarbeiten für die Bundespräsidentenwahl sein. Niemals zuvor hat es bei einem solchen Wahlgang so viele Unklarheiten gegeben. Niemand kann heute sagen, ob der noch unbekannte ÖVP-Kan-didat des kommenden Frühjahres gegen einen „Neuen“ oder gegen einen amtierenden Bundespräsidenten anzutreten hat, von dem man nicht weiß, welche politischen Taten er in seinem letzten Amtsjahr setzen wird. Schleinzer wird hier alles brauchen, was ein erfolgreicher Politiker haben muß: Phantasie, Intuition und — Glück.
Schleinzers schwere Aufgabe hat für ihn aber auch eine positive Seite: die Chance, sich rascher als in ruhigen Zeiten von der Optik des Interessenvertreters zu abstrahieren und staatspolitischen Zuschnitt zu gewinnen.
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