Olympia ade!

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Die Landeshauptstadt Tirols ringt seit Jahren um ein neues Image. Das Bild von der Sportstadt im Herz der Alpen ist längst vergilbt.

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Die Landeshauptstadt Tirols ringt seit Jahren um ein neues Image. Das Bild von der Sportstadt im Herz der Alpen ist längst vergilbt.

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Wenn der "Olympia-Luis" am Innsbrucker Rathaus vorbeispaziert, ziehen die Innsbrucker nach wie vor ehrfürchtig den Hut vor dem mittlerweile 86jährigen Altpolitiker. Alois Lugger regierte die heute 129.000 Einwohner zählende Alpenmetropole 27 Jahre lang, lotste zweimal die Olympischen Spiele nach Innsbruck und schloß europaweit kommunalpolitische Partnerschaften. Als er 1983 den Stadtschlüssel in jüngere Hände legte, begann der Glanz aber rasch matt zu werden. Einzig die Ehrfurcht vor dem "Luis" blieb.

Der VP-Politiker hinterließ einen Schuldenberg von mehreren Milliarden Schilling, langsam verfallende Olympiastätten und parteipolitischen Filz in allen Ritzen des öffentlichen oder halböffentlichen Lebens. Luggers Erben waren plötzlich mit Problemen konfrontiert, die dieser bislang durch seine Ausstrahlung verdeckt hatte: Wohnungsnot, Verkehrsprobleme, kein Geld für notwendige infrastrukturelle Investitionen.

Knapp ein Jahrzehnt vegetierte die Stadt politisch und gesellschaftlich dahin. Es ging gar nichts mehr, zumal auch die traditionelle Parteienlandschaft im kommunalen Bereich bröckelte. Aber es dauerte vorerst bis zum 17. Oktober 1993, als Luggers glückloser Nachfolger Romuald Niescher wirklich aus allen Wolken fiel: 73 Prozent der Innsbrucker hatten sich bei einer Volksbefragung gegen die dritte Bewerbung für Olympische Spiele ausgesprochen. Im April 1994 besiegelte schließlich der VP-Rebell Herwig van Staa den langen Abschied der Innsbrucker VP von der politischen Macht.

Eines konnte der Schwiegersohn des legendären Tiroler Langzeitlandeshauptmannes Eduard Wallnöfer allerdings ebenfalls nicht verhindern: Die Innsbrucker waren im Begriff, endgültig einen Schlußstrich unter ihre olympische Vergangenheit zu ziehen. Im März 1997 lehnten sie einen neuerlichen Vorstoß für eine Olympiabewerbung, die von van Staa vehement unterstützt wurde, erneut ab - wenn auch knapp (53 Prozent). Die Innsbrucker wünschen sich nach Jahrzehnten ein neues Gewand für ihre Stadt.

Die Politik mußte jedoch zuvor jene Wende schaffen, die van Staa in seinen Wahlreden versprochen hatte. Und tatsächlich konnte durch einen eisernen Sparkurs der finanzielle Spielraum der Stadtpolitik ausgeweitet werden. Seit 1994 wurden rund eine Milliarde Schilling Schulden getilgt, die Außenstände auf zwei Milliarden gedrückt. Der Schuldenstand verringerte sich zwischen 1991 und 1996 um 17 Prozent, der Verschuldungsgrad im gleichen Zeitraum von 94 Prozent auf 60 Prozent. Eine durchaus umstrittene Verwaltungsreform sollte die innere Organisation der Stadt ebenfalls stärken. 250 Dienstposten hat die Stadtführung nicht mehr nachbesetzt, im Vergleich mit anderen Landeshauptstädten weist Innsbruck die geringsten Personalkosten je Einwohner auf (7.113 Schilling).

Die neue Positionierung der Alpenmetropole gestaltet sich aber äußerst schwierig: Die Universität mit ihren 25.000 Studierenden war und ist ein Fremdkörper, Stadt und Universität führen ihr jeweils eigenes Leben. Kulturell konnte man mit dem Tanzsommer und den Festwochen der Alten Musik eine Lücke im österreichischen Festspielsommer füllen, doch zwischen Bregenz und Salzburg muß sich die Kulturstadt Innsbruck mit einer bescheidenen Außenwirkung begnügen. Einmal mehr ruhen deshalb viele Hoffnungen auf den geographischen Gegebenheiten. Im Schlepptau des touristischen Tirol-Slogans "Herz der Alpen" denkt Bürgermeister Herwig van Staa eben diesen für Innsbruck verstärkt zu nützen: Sei es durch die seit Jahren existierende Idee eines "Hauses der Alpen", die Ansiedelung des ständigen Sekretariates der Internationalen Alpenkonvention oder den Ausbau des Studienzentrums für alpine Landwirtschaft zu einer Forschungs-Schnittstelle der Länder des Alpenbogens.

Den Ziel- und Wunschvorstellungen fehlt hingegen die notwendige konsequente Umsetzungspolitik. Angedachte und bereits geplante Projekte fristen oft jahrelang ein Dasein in Aktenordnern oder Schubladen der Verwaltung. Obwohl es viele Ansätze gibt, diese Hürden endlich zu überspringen, zeugen ein baufälliges Tivolistadion, die Olympiaeishalle, ein zentraler Marktplatz, der einer Steinwüste gleicht, eine äußerlich unattraktive Maria-Theresien-Straße und ein gesichtsloser Bahnhof von der inneren Zerrissenheit der Stadt. Die Pläne sind vorhanden, aber erst wenn die zentralen Vorhaben tatsächlich einmal Schatten werfen, wird Innsbruck ein neues Gesicht und Image haben.

Der Autor leitet das Ressort Innsbruck bei der "Tiroler Tageszeitung".

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