Neuer alter Glanz

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Die Innsbrucker Kulturlandschaft hat in den letzten zehn bis 20 Jahren eine geradezu explosionsartige Entfaltung und Demokratisierung erlebt.

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Die Innsbrucker Kulturlandschaft hat in den letzten zehn bis 20 Jahren eine geradezu explosionsartige Entfaltung und Demokratisierung erlebt.

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Innsbruck hat sein Wahrzeichen wieder: Das "Goldene Dachl", während der letzten fünf Monate mit einer dem Original täuschend ähnlichen Abdeckplane elegant verhüllt, strahlt in neuem Glanz. Nicht nur wurden die meisten der 2.657 Schindeln nach allen Regeln moderner Technik neu vergoldet, auch eine effektvolle Beleuchtung setzt das 400 Jahre alte Wahrzeichen nun ins rechte Licht. In dieser Renovierung steckt Symbolkraft. Die Kulturstadt Innsbruck setzt zu Recht auf ihre jahrhundertealten Werte, bringt sie aber mit dem technischen Know-how von heute zu neuer Wirkung.

Tatsache ist, daß Innsbrucks Kulturgeschehen in den letzten zehn, 20 Jahren eine geradezu explosionsartige Entfaltung und Demokratisierung erlebt hat. Die Nutzer dieses Kulturangebots gehen quer durch alle Bevölkerungsschichten. Auch das mediale Echo, vordem auf die sogenannte Hochkultur konzentriert, reflektiert das Geschehen auf allen Schienen und Nebengeleisen und hat heute Volkskultur, Jugend- oder Alternativszene ebenso aufmerksam im Visier. Was insofern gerecht ist, als beim Gerangel um die Töpfe der Subventionsgeber die Alternativszene - etwa das rührige Treibhaus mit seinem attraktiven Großangebot an Jazz, Kabarett und Kindertheater - ständig im Nachteil gegenüber dem institutionalisierten Kunstbetrieb ist. Es muß aber auch gesagt werden, daß dieser immer noch die wegweisenden künstlerischen Leistungen erbringt.

Diese Pfeiler, die der Stadt nicht nur ihr profiliertes Bühnen-, Musik- und Kunstgeschehen, sondern auch Hunderte von Arbeitsplätzen verschaffen, sind Landestheater, Symphonieorchester, Konzerte der Stadt Innsbruck, ferner die Musikausbildungsstätten Landeskonservatorium, Städtische Musikschule und Mozarteum, im Kunstbereich das Tiroler Landesmuseum - heuer zum 175-Jahr-Jubiläum mit Schiele präsent - und die Taxis-Galerie des Landes, um die sich eine ständig wachsende Zahl privater Galerien scharen. Die jahrelange Kunsthaus-Debatte hatte bisher außer Privatinitiativen, wie dem dafür in die Bresche gesprungenen innovativen "Kunstraum Innsbruck", kein konkretes Ergebnis.

Das Landestheater, umkränzt von wagemutigen Kleinbühnen, an ihrer Spitze das niveauvolle Innsbrucker Kellertheater, hält seit der nun bald siebenjährigen Intendanz Dominique Menthas eine ambivalente Position in der öffentlichen Meinung. Einerseits wird innovativer Geist begrüßt und zieht auch neue, vor allem junge Publikumsschichten an, andererseits fühlen sich langjährige Abonnenten durch Verfremdung und Entstellung beliebter Meisterwerke, durch gezielte Provokation, hinter der sich nicht selten mangelnde Professionalität der Regisseure verbirgt, vor den Kopf gestoßen und ziehen sich enttäuscht zurück. Keinesfalls ist dies mit Scheu vor anspruchsvollen künstlerischen Auseinandersetzungen oder gar mit Ablehnung der Moderne zu erklären, das haben die Publikumserfolge gelungener zeitgenössischer (Ur-)Aufführungen schlagend bewiesen. Gedanken über die Zukunft des Tiroler Landestheaters verbinden sich nun mit optimistischen Erwartungen im Hinblick auf die designierte Intendantin Brigitte Fassbaender ab Herbst 1999.

Das Innsbrucker Konzertgeschehen erfreut sich seit dem Engagement von Musikdirektor Georg Schmöhe einer neuen Hochstimmung. Die Blutauffrischung tat insbesondere dem Innsbrucker Symphonieorchester gut, das seine Herbstsaison mit der "Alpensymphonie" von Richard Strauss spektakulär begann, hatte Schmöhe es doch erstmals um das Haydn-Orchester von Bozen und Trient verstärkt, um Strauss in Originalbesetzung zu spielen. Schon im Vorjahr hat Schmöhe einen Beethovenzyklus begonnen, den er vorzugsweise mit Raritäten des Meisters bestückt. Internationale Gastorchester und Solisten konzertieren in der Reihe der "Meisterkonzerte".

Umzingelt von Festspielstädten wie Salzburg, Bregenz, München und Verona mußte Innsbruck, wollte es sich auch im Sommer profilieren, etwas lokalspezifisch Eigenes und Unverwechselbares anbieten. Das konnte es mit der Revitalisierung jener Musik, die einst die imperiale Residenzstadt geschätzt und gepflegt hatte. Was Kaiser Maximilian I. oder Erzherzog Ferdinand II. für die Renaissancemusik, das bewirkte der junge Erzherzog Ferdinand Karl im 17. Jahrhundert für die frühvenezianische Oper, die vom Toskaner Maestro Cesti in zwölf fruchtbaren Innsbrucker Jahren entwickelt wurde. Die Festwochen der Alten Musik machten mit der Wiederbelebung seiner und anderer Barockopern in aller Welt von sich reden, wofür berufene Dirigenten wie Alan Curtis, Howard Arman und Rene Jacobs, derzeit Festwochenleiter, sorgten. Aufbauend auf 36 Jahren Ambraser Schloßkonzerte, übten Innsbrucks Festwochen in 22 Sommern ihre Ausstrahlung und Pionierwirkung auch auf das übrige Österreich und ganz Europa aus, ebenso die weltweit beachtete Internationale Sommerakademie für Alte Musik. Eine sensationelle Erfolgsstory hat auch der Internationale Tanzsommer in Innsbruck aufzuweisen, der in wenigen Jahren Tausende Ballettomanen für Modern Dance gewann. Straßentheater, Innsbrucks historische Orgeln und die Blasmusik als Tiroler Markenzeichen belebten zudem den bunten Sommer 1998.

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