"Wir liefern Sicherheit!"

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General Roland Ertl, Österreichs oberster Militär,

über das wichtigste "Produkt" des Bundesheers.

Die Furche: Herr General, welche Gewissheit und Sicherheit bietet das Österreichische Bundesheer - ist es nicht so, dass sich dessen Rolle mehr und mehr weg von der militärischen Dimension für und in Österreich hin zur Katastrophenhilfe und zu Auslandseinsätzen verlagert hat?

General Roland Ertl: Unser Produkt, das wir als Österreichisches Bundesheer liefern, ist Sicherheit. Dabei war, ist und wird auch weiterhin die militärische Komponente ausschlaggebend sein, denn das Eingreifen in einer Krisenregion bedarf militärischer Fähigkeiten in unterschiedlichen Intensitäten und Ausprägungen.

Die Furche: Auch einige Referenten beim Forum Alpbach haben betont, dass die beste Hilfeleistung nichts oder nur wenig nützt, wenn nicht zuerst Sicherheit garantiert wird ...

Ertl: ... das genau ist der Punkt: Ohne Sicherheit können Hilfsorganisationen aller Art nicht aktiv werden. Wir kennen das von Verkehrsunfällen, von Alpinunfällen, von anderen Unglücksfällen: Vorrangig ist immer, den Unfallort abzusichern - dann können die Rettungsarbeiten beginnen. Wenn wir in Katastrophenregionen mit widerwärtigen Verhältnissen konfrontiert sind, mit Aufruhr, mit Kampfeinwirkungen oder Kampfesüberresten - Minen zum Beispiel - dann stehen wir vor der Notwendigkeit, zuerst einmal mit militärischen Mitteln Sicherheit herzustellen, um anschließend rettend und bergend eingreifen zu können.

Die Furche: Kann das Bundesheer angesichts aktueller Sparbudgets weiter alles abdecken - wäre es nicht besser, sich auf Bereiche zu spezialisieren?

Ertl: Grundsätzlich ist das Bundesheer nach militärischen Erfordernissen strukturiert und ausgestattet. Mit diesem militärischen Gerät bemühen wir uns, so gut wir können, Hilfeleistung für die Bevölkerung zu geben. Aber der Hilfs-, Berge-oder Rettungsdienst ist nicht unsere primäre Aufgabe, dafür gibt es andere Organisationen. Wir sind aufgerufen, unterstützend einzugreifen, wenn die anderen Mittel nicht mehr ausreichen oder wenn Gefahr im Verzug ist. Aber auch in diesen Fällen muss das Bundesheer diese Assistenzleistungen mit jenen Mitteln erbringen, die in unserer militärischen Struktur vorhanden sind.

Die Furche: Das heißt, in seiner Anschaffungspolitik denkt das Bundesheer weiterhin primär militärisch?

Ertl: Wobei wir sicherlich, und das ist ein Ergebnis des aktuellen Reformprozesses, bei jeder Strukturüberlegung, bei jeder Rüstungs-und Organisationsfrage den Aspekt der Hilfeleistung miteinbeziehen - um eine Optimierung in diese Richtung von Anfang an zu erreichen.

Die Furche: "Schutz und Hilfe" lautet der Slogan des Bundesheers - gerade die Assistenz-und Hilfseinsätze des Bundesheers werden von der Bevölkerung hoch geschätzt. Kritik und die Frage "Wozu braucht's das noch?" wird hingegen bei der militärischen Dimension laut. Müsste das nicht im Bundesheer zu einem Umdenken und zu neuen Prioritäten führen?

Ertl: Von dieser Art Imagekorrektur erwarte ich mir nicht viel. Ich weiß, unsere Katastropheneinsätze sind gern gesehen. Dabei schwingt aber immer ein wenig Unkenntnis über unsere militärischen Aufgaben mit: Die erstrangige Sicherheitsaufgabe des Bundesheers ist der Schutz der Souveränität unseres Landes und der Bevölkerung; dazu kommt unsere Mitwirkung am internationalen Krisenmanagement. Dass diese primäre Dimension unserer Arbeit keine vergleichbare Anerkennung in der Bevölkerung erfährt wie der Katastrophenschutz, ist schade. Da gibt es eben ein Auseinanderklaffen in der Wahrnehmung - doch wir arbeiten sehr daran, dass beide Dimensionen unseres Auftrags besser verstanden werden.

Die Furche: Der frühere deutsche Verteidigungsminister Struck hat einmal gemeint: "Wir verteidigen Deutschland am Hindukusch" - gilt das auch für die Auslandseinsätze des Österreichischen Bundesheers?

Ertl: Das ist sehr martialisch, das sagen wir nicht so! Aber Faktum ist, dass es Sicherheit in Österreich nicht ohne Sicherheit in der Welt gibt. Alles, was wir im Rahmen unserer humanitären Solidarität oder im Krisenmanagement unternehmen, dient auch mittelbar der Sicherheit Österreichs ...

Die Furche: ... und unmittelbar?

Ertl: Unmittelbar dient es uns auch: Wenn wir zum Beispiel die Destabilisierung einer Region verhindern, und es dadurch zu keinen Flüchtlingswellen kommt. Wir haben ein Interesse, dass in den für uns wichtigen Regionen Sicherheit herrscht, denn Sicherheit dort bedeutet Sicherheit bei uns. Heute kann Sicherheit zuhause nicht mehr losgekoppelt vom Rest der Welt gesehen werden.

Die Furche: Weil Sie sagen, in "den für uns wichtigen Regionen" - welche Rolle spielen Wirtschaftsinteressen bei diesen Auslandseinsätzen?

Ertl: Im Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung ist das sicher ein Thema; denken Sie nur, wie rasch Investoren nach einer Krisenbereinigung tätig werden. Das ist durchaus auch eine Schnittstelle, die es für uns handzuhaben gilt. Ein erklärtes Ziel von uns ist es ja, durch Verbesserung der Wirtschaftsleistung im Zielraum die Zufriedenheit der dortigen Bevölkerung zu erhöhen.

Die Furche: Sicherheit ist auch ein lukrativer Markt - steht das Bundesheer da in Konkurrenz zu privaten Sicherheitsanbietern oder NGOs?

Ertl: Mein Gott - nein, wir werden als Bundesheer sicher niemals ein Konkurrent sein wollen und sein können. Das kann sich manchmal in gewissen Sparten auf den ersten Blick so darstellen, doch das klärt sich immer sehr schnell auf. Wenn wer behauptet, wir stehlen jemandem eine Gewerbegelegenheit, dann liegt der falsch. Das ist deswegen nicht der Fall, weil wir nur ausrücken, wenn wir ausdrücklich von der Behörde angefordert werden. Wir haben jedenfalls nicht die Intention, als Konkurrent zum Markt oder zu anderen Akteuren aufzutreten.

Die Furche: Warum eigentlich nicht - damit könnte sich das Bundesheer doch profilieren?

Ertl: Die Sicherheitsaufgabe des Bundeheers ist die komplexeste, die es überhaupt gibt: Wir sind aufgefordert über Rettung, Schutz und Bergung hinaus aktiv für die Sicherheit unseres Landes einzutreten. Da müssen wir ein kompetenter Gesprächs-und Handlungspartner gegenüber allen anderen sein. Manchmal kann es da sicher Meinungsunterschiede geben, aber das wird ja auch in Romanen beschrieben, dass sich Rettungsorganisationen gegenseitig ihre Verletzten und Kranken streitig machen.

Die Furche: Weil wir so viel über Sicherheit geredet haben: Viele Bundesheer-Bedienstete erleben aufgrund der Heeresreform große Ungewissheiten und Unsicherheiten - zurecht?

Ertl: Ich lade Sie ein genauer nachzuschauen, ob diese Art der Unsicherheit und Unzufriedenheit, die Sie im Bundesheer vermuten, wirklich so besteht. Ich habe mich sehr bemüht, für unsere Mitarbeiter eine ausreichende Begleitung im Reformprozess des Bundesheers auf die Beine zu stellen, und wir haben ein gutes Ergebnis beim Ausgleich von sozialen Härtefällen erzielt ...

Die Furche: ... wie geht's weiter?

Ertl: Jetzt sind wir in die Phase eingetreten, wo wir nahezu alle Verbände verändern. Wir haben dazu eine datengestützte Orientierung aufgebaut, in der unsere Mitarbeiter die zu ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten passenden Möglichkeiten finden - und an welchen Orten und Verbänden man diese einbringen kann. Diese Begleitung ist eine sehr große und unmittelbare Hilfestellung. Das ist jetzt nur mehr eine Frage der Informationsweitergabe und der Aufklärung - das wird Schule machen, das wird greifen.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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