Österreich schickt Soldaten aus …

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Im Europa-Vergleich sind überdurchschnittlich viele Bundesheer-Soldaten in Auslandseinsätzen. Grund zu Freude und Stolz bei den Miltärs, aber es wächst auch die Sorge über den "Raubbau" an der Truppe.

Ohne Geld ka Musi!" Dieses Sprichwort scheint beim Bundesheer nicht zu stimmen. Obwohl die österreichischen Verteidigungsausgaben verglichen mit den meisten anderen Staaten bescheiden sind, rangiert das Bundesheer bei Auslandseinsätzen im Spitzenfeld: Österreich verwendet im Jahr 0,8 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Ausstattung seines Militärs und schickt gleichzeitig rund 1300 Soldaten zu Friedenseinsätzen (siehe Grafiken) - laut aktueller Studie des Londoner Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) ist Österreich damit im europäischen Ländervergleich "überdurchschnittlich stark engagiert".

Beobachter nach Georgien

Und die Zahl der österreichischen Soldatinnen und Soldaten in internationalen Einsätzen steigt. Die letzte Aufstockung hat der Hauptausschuss des Nationalrats erst am Freitag letzter Woche beschlossen: Bis zu fünf Militärpersonen werden zur Unterstützung der OSZE-Beobachtermission in Georgien entsandt.

Überdurchschnittlich starkes internationales Engagement bei unterdurchschnittlichen nationalen Kosten - perfekt, der Traum jedes Wirtschaftsmanagers - und überraschend zugleich; Hand aufs Herz, wer hätte dem Bundesheer ein derartig respektables Abschneiden im militärischen Länderranking zugetraut? Das IISS, das seit Jahrzehnten weltweit militärische Stärken misst, hat immerhin 41 europäische Länder von Island im Westen bis Aserbaidschan im Osten auf ihre militärischen Fähigkeiten hin untersucht: Nur Luxemburg, Irland, Island, Malta und Moldawien geben weniger Geld für ihre Armeen aus als Österreich. Gleichzeitig mischt Österreich aber seit mehr als zehn Jahren bei internationalen Missionen in einer Liga mit Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Finnland, den Niederlanden, Dänemark oder Norwegen mit und kann dabei überdurchschnittliche Quoten vorweisen.

Verständlich, dass Bundesheer-Generalstabschef Edmund Entacher beim Europäischen Forum Alpbach in Vertretung seines wahlkämpfenden Ministers nicht ohne Stolz auf die Friedensmissionen seiner Truppenverbände und besonders auf den Einsatz im Kosovo (Österreich stellt das größte Nicht-NATO-Kontingent) und den "sehr beachtlichen Erfolg" im Tschad verwiesen hat.

Und Entacher wäre als oberster Bundesheer-Fürsprecher in Uniform die falsche Besetzung, wenn er nicht mehr Geld für seine Armee einfordern würde. Denn: "Wenn es zu einem sicherheitspolitischen Kerneuropa kommt, darf Österreich nicht abseits stehen!"

Nach der Euro-Einführung und der Schengen-Grenzregelung ist die EU also jetzt in der Sicherheitspolitik bei der Kern-Schale-Diskussion angelangt. Neuerlicher Anlass dafür ist das Scheitern des EU-Lissabonvertrags, das unter anderem auch die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) in die Warteschleife drängt. Laut gut unterrichteten Kreisen hält das jedoch die französische EU-Ratspräsidentschaft nicht davon ab, eine Verstärkung der militärischen Fähigkeiten in der Union voranzutreiben.

Allein kämpfen, ist zu teuer

Damit entsprechen die Franzosen einer Schlussfolgerung der IISS-Untersuchung, die einer Aufgabenteilung zwischen den europäischen Staaten das Wort redet - besonders dann, wenn es um den Einsatz von teurem Kriegsgerät oder um hochspezialisierte militärische Aufgaben geht. Das französische Engagement in Richtung eines "echten europäischen Verteidigungsbinnenmarktes" lässt sich ebenfalls in der IISS-Studie nachlesen, die eine bessere Koordination der Europäer bei der Rüstungsbeschaffung fordert - "alles andere ist pure Geldverschwendung!"

Damit schließt sich der Kreis zu Generalstabschef Entacher und seinen zwei Forderungen nach mehr Geld für das Bundesheer und einer österreichischen Annäherung an den EU-Sicherheits- und Verteidigungs-Kern. Das Zaubermittel, um beides trotz angespannter Budget-Situation und wenig Begeisterung in der österreichischen Bevölkerung für kostspielige Auslandsabenteuer des Bundesheers umsetzen zu können, heißt "gesamtstaatliches Auslandseinsatzkonzept".

Mit diesem Plan sollen die österreichischen Auslandseinsätze auf breitere Füße gestellt werden, versucht das Bundesheer eine bessere innerösterreichische Aufgaben- und vor allem Kostenteilung für internationale Missionen.

Außen- und Innenministerium sind die naheliegendsten Ansprechpartner für diese Aufgabenteilung. Beim Außenministerium gerät neben der diplomatischen Ebene zunehmend der Bereich Entwicklungszusammenarbeit in den Fokus der Militärs, bestätigt Walter Feichtinger, der Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie Wien: "Friedenssicherung muss Hand in Hand mit Wiederaufbau und Entwicklungshilfe gehen."

Phase der Unsicherheit

Deswegen wird die Zusammenarbeit von Militär und Wirtschaft ebenfalls an Bedeutung gewinnen - sowohl wenn es um Sanktionen gegenüber Aggressoren geht, als wiederum beim Thema Wiederaufbau nach Konflikten. Und da dieser nicht nur materiell, sondern auch in seiner rechtsstaatlichen Dimension gedacht werden muss, ist die Einbindung des österreichischen Justizministeriums und seiner Juristen und Richter ein weiterer Baustein im gesamtstaatlichen Auslandseinsatzkonzept.

Die Diskussion, ob und wie sich Österreich im EU-Kontext spezialisieren soll, hält Feichtinger derzeit für verfrüht. Noch sei unklar, so der Brigadier, wer die innereuropäische Sicherheit für Nicht-NATO-Mitglieder garantiert. Damit es in dieser "Phase der Unsicherheit kein böses Erwachen gibt", schlägt er vor, die Frage nach einem spezialisierten Nischen-Bundesheer zu vertagen.

Und zur Freude über das Lob der Londoner IISS für die österreichischen Auslandseinsätze mischt sich bei Feichtinger auch Skepsis: Er fürchtet, dass die Schere zwischen dem nötigen Bedarf und den zur Verfügung gestellten Mitteln immer weiter auseinandergeht.

Die Lorbeeren für das große Auslandskontingent verdankt Österreich, laut Feichtinger, der großen Professionalität und der hohen Moral in der Truppe. Gleichzeitig lebe das Bundesheer aber "von der Substanz". Und um das hohe Niveau zu halten, werde "Raubbau an Material, Infrastruktur und Personal" betrieben. Das heißt, sollte der Brigadier Recht behalten und es wird nicht gegengesteuert, dass auch beim Bundesheer das Sprichwort stimmt: "Ohne Geld ka Musi!"

Tipp

Podiumsdiskussion zum Thema:

Ziviler Friedensdienst - österreichische und europäische Perspektiven; Moderation: Wolfgang Machreich, Furche

25. September 2008, 18 Uhr

Albert-Schweitzer-Haus,

Schwarzspanierstraße 13, 1090 Wien

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