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LUKIAN

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War es nicht im Jahre 1977, daß in unserem kleinen, aber feinen neutralen Land der damalige Verteidigungsminister erwog, die Soldaten - nannte man sie damals nicht noch Präsenzdiener? - täglich nach Dienstschlvß sowie an den Wochenenden aus den Kasernen fortgehen zu lassen? Hat nicht zwei Jahre darauf eine große Oppositionspartei mit dem Slogan „Sechs Stunden sind genug!” den Sechsstundentag für Soldaten erzwungen und damit die Regierungspartei, die ihrerseits die Fünftagewoche für Soldaten forderte, übertrumpft, so daß die Dreißigstundenwoche für Wehrpflichtige Wirklichkeit wurde?

Der massenweise Ansturm der Freiwilligen zum Dienst in der österreichischen Landesverteidigung setzte allerdings erst ein, als sich im Rahmen des österreichischen Bundesheeres ein Proponentenkomitee für eine internationale Militärgewerkschaft bildete, das bekanntlich die Verteidigungsminister in Ost und West, ganz zu schwei gen von den Generalstäben, mit der Forderung schockierte, in Zukunft sei der Dienst mit der Waffe auch, im Kriegsfall auf maximal acht Stunden täglich zu beschränken.

Unser Vorschlag, diese Klausel zunächst in bilateralen Abkommen zur Begrenzung der Kampfstunden zu verankern, wird bekanntlich in allen damit konfrontierten Ländern mit einem von Jahrzehnt zu Jahrzehnt steigenden Wohlwollen geprüft. Bei uns mußten zwar mehrere Militärstreiks organisiert werden, um die Entwicklung weiter voranzutreiben, aber schließlich wurde die Begrenzung der Kampfhandlungen auf die Dienststunden der Bühnenarbeiter an den österreichischen Bundestheatem doch in den Militär-Kollektivvertrag aufgenommen. Anerkannte Militärhistoriker vergleichen heute die soziale Lage unserer Soldaten vor dem Jahr 1977 mit der der Bäckergesellen im Jahr 1860, wozu freilich ergänzend festzustellen ist, daß die Semmeln niemals und die Backöfen höchst selten in die Luft flogen, während die widmungsgemäße Verwendung einer Armee leider selbst heute noch nicht mit der wünschenswerten absoluten Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Fünf Legislaturperioden nach dem Jahr 1977 wurde daher die Heeresdienstvorschrift um einen Paragraphen ergänzt, wonach bei Temperaturen über plus 30 und unter minus 20 Grad Celsius Angriffshandlungen zu unterbleiben haben und bei mehr als 35 Hitze- oder 25 Kältegraden auch die Verteidigungshandlungen auf das „durch die Lage gebotene Minimum” zu beschränken sind.

Bekanntlich haben sich bereits mehrere Länder Österreichs Friedfertigkeit, die aus unseren Heeresreformen spricht, zum Beispiel genommen. Bekanntlich hat eines unserer Nachbarländer die allgemeine Wehrdienstzeit von zehn auf acht Jahre für Männer und von fünf auf drei Jahre für Frauen herabgesetzt, der Ministerpräsident eines anderen Landes hat einem unserer Politiker mit Handschlag versprochen, einen allenfalls notwendigen Durchmarsch durch österreichisches Gebiet so schnell und mit so geringen Flurschäden wie irgend möglich zu bewerkstelligen, und unsere auf ein drittes Land angesetzten Spione sandten Berichte nach Wien, wonach auf der anderen Seite unserer Grenze die Panzerfallen durch Thermometer ersetzt wurden, da eventuell unum gängliche Konflikte nur noch bei Wetterlagen abgewickelt werden sollen, bei denen unseren Soldaten eine Landesverteidigung nicht mehr zugemutet werden kann, was gemäß sofort durchgeführter Auswertung im „Büro Freundlage”, angesichts der bei uns üblichen mittleren Temperaturen ernstere militärische Verwicklungen nahezu ausschliqßt.

Angesichts solcher Fortschritte bei der regionalen Entspannung im Donauraum erscheint es völlig unverständlich, wenn der neue Gesetzesentwurf, der die militärische Ausbildung dadurch entschärfen und die Unfallgefahr senken soll, daß das Bundesheer nun auch keine Platzpatronen mehr erwerben oder besitzen darf, bei einigen Generalstäblern alten Schlages keine ungeteilte Zustimmung findet.

Gerüchte, wonach das österreichische Bundesheer in die Komparserie der Wiener Staatsoper integriert werden soll, wurden von Regierungsseite als „verleumderisch” dementiert, während der Chef des Bundestheaterverbandes mit der Feststellung abwinkte, die mit einer solchen Umorganisation verbundene Steigerung des Staats- opem-Budgets um mindestens zwanzig Prozent sei nicht zu verkraften.

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