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Ein Bildband stellt zeitgenössische sakrale Bauten aus verschiedenen Religionen und Regionen vor.

Man kennt dieses Bild nur all zu gut. Von überall her und allenthalben wird den Kirchen und auch anderen Religionsgemeinschaften ein sonderbares Bild übergestülpt: sie seien ja nur eine Ansammlung von Ewiggestrigen, die hoffnungslos veralteten Werten nachhängen. Gerade mal in der Randgruppenbetreuung dürfen religiöse Menschen gleichsam unter ihresgleichen soziale Arbeit mit ein bisschen Anerkennung verrichten, dort, wo der Verbrauchsgesellschaft die Ideen schnell ausgehen. Ansonsten scheint in der landläufigen Meinungsbildung die Kombination von Kirche und Moderne schlichtweg einen krassen Widerspruch darzustellen.

Da nimmt es sich schon sonderbar aus, dass Phyllis Richardson, ihres Zeichens Architekturkritikerin, in einem fein zusammengestellten Bildband einige exzellente Beispiele zeitgenössischer Bauten vorstellt, die - man höre und staune - allesamt für eine liturgische beziehungsweise religiöse Nutzung errichtet wurden.

Richardson stellt Projekte aus 18 Ländern vor, die alle auf die eine oder andere Weise der christlichen, der jüdischen, der islamischen und der buddhistischen Religion als Orte der jeweiligen Liturgie dienen. Einige Beispiele erfüllen diese Funktion auch als interreligiöse Orte.

Bei sakraler Architektur kommt zur üblichen Verwiesenheit auf einen funktionalen Anspruch noch die spirituelle Komponente hinzu, sakrale Architektur soll paradoxerweise den Menschen helfen, den jeweiligen Ort zu übersteigen. "Der spirituelle Charakter sakraler Gebäude erhöht ihre kulturelle Bedeutung, da sie zu etwas anregen sollen, das über den materiellen, räumlichen Nutzen hinausgeht", erläutert Richardson. In fünf Kapiteln werden dann Projekte unter spezifischen Gesichtspunkten zusammengefasst vorgestellt.

Experimente mit der Form

Den ersten Teil, der den Experimenten mit der Form gewidmet ist, leitet Steven Holls Klassiker, die Sankt-Ignatius-Kapelle in Seattle ein, bei der auch ein Blick auf das ebenfalls von Holl entworfenen Kiasma-Museum in Helsinki für einen besonders aufschlussreichen Vergleich von "Tempel und Museum" lohnen würde. Herausragend in diesem Kapitel bleibt trotz Richard Meiers Jubiläumskirche in Rom eine kleine Privatkapelle von Estudio Sancho-Madridejos in Spanien. Das Gebäude verbindet Einfachheit mit räumlicher Herausforderung und sieht wie ein vergrößertes Papierfaltkunstwerk aus.

"Die architektonische Genialität besteht aber darin, jede Fläche in einem subtilen Zusammenspiel von Winkeln so einzusetzen, dass das Auge in vielen Flächen eine einzelne sieht und umgekehrt", fasst Richardson die Verbindung von baulicher Komplexität und gleichzeitiger Reduktion zusammen.

Einpassung in Umgebung

Im zweiten Teil liegt das Hauptaugenmerk auf der gelungenen Einpassung des Sakralraumes in seine Umgebung, zumeist die gebaute Landschaft von Städten. Hier ist es spannend zu beobachten, wie die gleiche Strategie der Verkleidung mit einem Rost aus Holzstäben sowohl für die christliche Versöhnungskapelle von Reitermann und Sassenroth in Berlin als auch für den buddhistischen Komyo-Ji-Tempel in Saijo, Japan, von Tadao Ando interkulturelle Gültigkeit beanspruchen kann. Genauso erhellend ist der Vergleich zwischen NotreDame de l'Arche d'Alliance von Architecture Studio in Paris und Heinz Tesars Kirche "Christus Hoffnung der Welt" in der Wiener Donau-City. Nimmt erstere die Rasterung aus den umliegenden Plattenhochhäusern auf und zerstäubt sie in eine luftige Hängvorrichtung, so ballt sich zweitere als pechschwarze Unterbrechung zwischen den umliegenden Hochbauten zusammen, um erst im Innenraum zu einer hellen Weite zu gelangen.

Zufluchtsstätten

Der dritte Teil, ländlichen Heiligtümern als Zufluchtsstätten gewidmet, führt die herbe Schönheit von rostendem Stahl und verwitterndem Holz von Bernard Desmoulins Andachtstätte in Frèjus mit dem Spiel mit der Farbe Weiß von Takashi Ymaguchis Tempel in Kyoto als zwei gleichberechtigte Sprachen der zeitgenössischen Architektur zusammen. Der vierte Teil gehört den riesigen Versammlungsorten, wobei man auf die Fertigstellung von Renzo Pianos San Giovanni Rotondo in Foggia gespannt sein darf. Im letzten Teil widmet sich Richardson der Kombination aus dem Herrlichkeitsanspruch jeder Religion mit der Verwendung von einfachen Materialien, wobei Samuel Mockbees Yancey-Kapelle aus Abfallmaterialien und Shigeru Bans Papierkirche in Kobe hervorstechen. Wenngleich in Richardsons Text der Aspekt von ausdifferenzierten Raumstrukturen für die Vielfalt an liturgischen Vorgaben etwas zu kurz kommt, möchte man viele der vorgestellten Bauten besuchen, um sie auch in ihrer Dreidimensionalität genießen zu können.

Neue Sakrale Architektur

Kirchen und Synagogen, Tempel und Moscheen

Von Phyllis Richardson. Deutsche

Verlags-Anstalt, München 2004. 224 Seiten, geb. mit zahlr. Abb., e 71,90

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