Das letzte Wort dem Publikum soll das

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Michael Klügl ist ab September neuer Intendant des Linzer Landestheaters. Der Deutsche hat sich die Meßlatte hoch gesteckt.

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Michael Klügl ist ab September neuer Intendant des Linzer Landestheaters. Der Deutsche hat sich die Meßlatte hoch gesteckt.

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dieFurche: Sie haben aus einem Drei-Sparten-Theater ein Vier-Sparten-Theater gemacht, indem Sie als vierte Bühne das "Eisenhand", ein ehemaliges Kino, für "eigenwillige und ungewöhnliche Konzepte" hinzufügt haben. Im bisherigen "Theaterkeller im Ursulinenhof" wird ein Kinder- und Jugendtheater etabliert, kurz "u/hof" genannt. Sie beginnen Ihre erste Spielzeit mit neun Premieren. Es sind eine ganze Reihe von Begleitveranstaltungen sowie die Zusammenarbeit mit anderen Theatern und diversen kulturellen Institutionen geplant. Ist damit Ihre Meßlatte der Anforderungen für die personellen Möglichkeiten des Hauses nicht zu hoch?

Michael Klügl: Natürlich ist es ein sehr anstrengender Beginn, weil wir im Schauspielhaus so gut wie kein Repertoire übernehmen können, weil ja einige Schauspieler das Landestheater verlassen haben. Aber die Meßlatte wird sich am Ende nicht in der Quantität ausdrücken, sondern vor allem in der Qualität. Und da möchte ich natürlich, daß das Publikum das letzte Wort hat. Wir haben, glaube ich, dispositionell sehr gut gearbeitet, vor allem, was das Schauspiel angeht. Da gab es ja in der vergangenen Zeit, auch was Märchen betrifft, sehr viele Dreifachbesetzungen. Wir besetzen schlanker. Und es ist ja so, daß wir schon drei Stücke vorgeprobt haben, die zum Ende dieser Spielzeit fertig sein werden.

dieFurche: Kommen wir vom Räumlichen zum Inhaltlichen, für das kein übergeordnetes Thema vorgesehen ist, vielmehr "Vielfalt gegen die Einfalt". Ein Wortspiel als Programm?

Klügl: Das ist sicher nicht das Programm. Programm stellt sich in der menschlichen Zusammenarbeit zwischen den Partnern nach und nach her. Wir haben natürlich programmatisch gearbeitet, zum Beispiel, daß uns Stadt- und Landthemen im Schauspiel sehr interessiert haben. Ich glaube auch, daß wir durchaus Menschen hier treffen, die sich angesprochen fühlen und sich in den Stücken wiedererkennen.

dieFurche: Der Oberösterreicher Franzobel ist als einziger österreichischer Gegenwartsdramatiker mit zwei Uraufführungen vertreten. Ist er Ihr "Author in Residence" 98/99?

Klügl: Das ist er auf jeden Fall. Ich kann mir auch zum jetzigen Zeitpunkt eine längerfristige Zusammenarbeit mit ihm vorstellen. Es wird aber sicher nicht nur bei Franzobel bleiben.

dieFurche: Insgesamt gesehen, bieten Sie einen geradezu kulinarischen Spielplan: Allerdings: Im deutschsprachigen Raum zählt derzeit bekanntlich nur mehr die Regie, so daß oft nicht einmal die Autoren ihre Stücke wiedererkennen, wie in jüngster Zeit Franzobel sein "Bibapoh". Wird man in Linz die bekannten Stücke wiedererkennen?

Klügl: Ich denke, schon. Natürlich gibt es auch neue Sachen für manche Stücke. Aber die Regisseure, die wir engagiert haben, haben, glaube ich, immer sehr gute philologische Arbeit geleistet, so weit ich bisher sehen kann, so daß man die Stücke wiedererkennen wird. Mit Franzobel arbeiten wir sehr eng zusammen. Das trifft auch für Herrn Haase zu, der seine Uraufführung hier hat ("Die Eisprinzessin" Anm. der Red.). Ich will einen Autor nicht überfahren.

dieFurche: Und wie ist es um die Stücke der toten Dichter bestellt? Shakespeare, Horvath, Kleist etwa?

Klügl: Ich denke, daß wir eine sehr verantwortungsvolle Einstellung haben. Das heißt: Wir werden die Stücke nicht dekonstruieren. Wir werden natürlich mit heutigen Mitteln sehr genau den Autoren nachspüren. Wir werden keine Stücke verändern. Auch bei "Rigoletto" wird kein einziger Satz geändert.

dieFurche: Da gibt es graduelle Unterschiede in der Interpretation eines Textes.

Klügl: Es ist natürlich eine Auffassungssache, wie man an ein Stück herangeht. Es wird auch neue Sichtweisen geben. Das ist schon klar. Aber ich lege größten Wert darauf, daß sie ordentlich erzählt werden.

dieFurche: Die künftige Zusammenarbeit zwischen Theater und Orchester scheint in einem guten Geleise zu sein. Wie wird das in der Praxis aussehen?

Klügl: Es besteht ein sehr enger Kontakt zum Orchestervorstand und zu den Kapellmeistern hier, so daß wirklich einvernehmlich über Dinge, die dann entschieden werden, gesprochen wird. Ich setze dem Orchester nicht irgend jemanden vor.

dieFurche: Und wie sehen Sie die Rolle des Balletts? Sie haben ja einen englischen Ballettdirektor engagiert.

Klügl: Das Ballett wird sich sicher noch mehr als in der Ära Zeilinger emanzipieren als Ballett-Truppe. Es gibt schon in der ersten Spielzeit drei selbständige Produktionen, und das wird sicher mehr werden.

dieFurche: Zähle ich Ihre vielfältigen theaterpädagogischen Unternehmungen hinzu, werde ich den Verdacht nicht los, daß Sie die Rezeptionsfähigkeit einer 220.000-Seelenstadt wie Linz überschätzen. Wie gut kennen Sie oder Ihr Team, die Sie ja fast alle aus Deutschland kommen, diese Stadt, dieses Bundesland und die Mentalität seiner Bewohner?

Klügl: Das ist verschieden. Frau Staerk (Leiterin des Kinder- und Jugendtheaters, Anm. der Red.) hat sich natürlich genau angeschaut, was möglich ist. Ich glaube, wir haben ein attraktives Angebot erarbeitet. Vielleicht ist es zu viel. Aber man soll es erst einmal probieren. Es ist ein theaterbegeistertes Land. Wir legen weniger Wert auf Konsum, als auf Mitbeteiligung. Aber es muß überschaubar sein.

dieFurche: Und wie soll die Kooperation mit dem Stifter-Institut aussehen?

Klügl: Da gibt es erstmal ein freundliches Angebot, daß wir in den Archiven stöbern dürfen. Man will uns auch auf oberösterreichische Autoren aufmerksam machen, die wir noch nicht kennen. Und dann wollen wir auch eine Lesung zusammen machen. "Bergkristall" von Stifter, was jemand vom Theater lesen wird. Paßt wunderbar in die Weihnachtszeit. Auch der Autor Stifter ist uns sehr wichtig, und wir möchten was mit ihm machen.

dieFurche: Linzer Landestheater neu. Sie haben bekanntlich im Schauspiel die Verträge von rund 20 Schauspielern, von Regisseuren, sämtlichen Dramaturgen - einschließlich von Ensemblemitgliedern anderer Sparten sind es insgesamt 49, so viele habe ich im letzten Theaterheft gezählt -, nicht verlängert.

Klügl: Das stimmt so nicht. In dem Heft sind Leute abgebildet, die habe ich noch nie gesehen ... Frau Kitzesch und Herr (Gottfried) Pfeiffer sind in Rente gegangen. Es sind nicht nur Nicht-Verlängerungen auf diesen Fotos. Es gab Leute, die sind nur als Gäste hier gewesen, die wurden da abgebildet, ungefragt.

dieFurche: Eine Frage bleibt: Es fällt auf, daß es unter den Neuzugängen nur wenig österreichischen Zuwachs gibt.

Klügl: Das kann man nicht so sagen. Das ist alles Gerede. Im Männerensemble sind es bald achtzig Prozent oder so. (Es sind rund 56 Prozent, Anm. d. Red.)

dieFurche: Und wie haben Sie die Lücken aufgefüllt? Hat es ein Vorsprechen gegeben?

Klügl: Es gibt das Ensemble hier, dann gibt es Kontakte von Frau Schlingmann, und es gibt Kontakte von Herrn Willert (Schauspieldirektoren, Anm. d. Red.), die ja beide sehr gut herumgekommen sind. Aus hundert möglichen Leuten hat sich das so destilliert.

dieFurche: Sie gehen in Ihre erste Spielzeit als Intendant. Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche würden Sie nennen? Was sollte sich erfüllen?

Klügl: Hm ... Der Hauptwunsch natürlich ist, daß dieses Theater, das wir machen, mit dem wir antreten, den Leuten vor allem Spaß macht, ihre Herzen trifft und auch ihre Köpfe. Das ist eigentlich der Hauptwunsch, den ich habe.

Das Gespräch führte Margret Czerni.

Zur Person Das Multitalent Klügl: Philosoph, Musiker, Regisseur und Journalist Michael Klügl, ab September Intendant des Linzer Landestheaters, 1954 in Offenbach geboren, studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Germanistik und promovierte an der TU in Berlin. Außerdem studierte er Klavier, Violoncello und Kompositionslehre, war als Regisseur freier Theatergruppen sowie als Musikkritiker der FAZ tätig. Nach gehobenen und leitenden Positionen an verschiedenen Bühnen Deutschlands war er zuletzt stellvertretender Operndirektor und Leitender Dramaturg am Nationaltheater Mannheim.

Kürzlich stellte er die Spielzeit 1998/99 des Linzer Landestheaters mit allen Veränderungen und Neuerungen vor. Die Furche sprach mit ihm über einige wesentliche Punkte seines Konzepts.

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