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„Innitzer an den Galgen!“
Doch damit war die Angelegenheit für die NSDAP noch nicht erledigt. Sie brauchte zusätzlich noch die antiklerikale Massenkundgebung, die sich ein nicht geringer Teil der Bevölkerung seit der nationalsozialistischen Machtübernahme schon immer gewünscht hatte. Innitzers Gegenzug durch seinen Besuch bei Hitler und durch die Bischofserklärung schien die Erfüllung des Volksbegehrens verhindert zu haben. Nun aber war die Stunde der Abrechnung gekommen. Für den Abend des 13. Oktober rief die NSDAP die Wiener zu einer Protestkundgebung gegen Innitzer auf.
An die 200.000 Menschen fanden sich auf dem Heldenplatz ein und trugen Spruchbänder mit den Aufschriften: „Die Pfaffen an den Galgen“, „Nieder mit dem Klerus“, „Innitzer nach Dachau“, „Zum Teufel mit den Jesuiten“, „Ohne Juden, ohne Rom, wird erbauet Deutschlands Dom“. Wiens antiklerikale HeerSchar, bestehend aus Nationalsozialisten, Sozialdemokraten, Kommunisten und Freimaurern, feierte den größten Triumph ihrer Geschichte. In dieser Masse fanatisier- ter „Pfaffenfresser“ brüllte Reichs- kommissar Büirckdl die vielleicht übelste Hetzrede, die je über den Platz mit den Reiterstandbildern Prinz Eugens, eines der erlauchtesten Streiter für die Christenheit, und Erzherzog Carls, des „beharrlichen Kämpfers für Deutschlands Ehre“, hinweggebraust ist.
Immer wieder unterbrachen die Menschen mit tosendem Beifall oder gellenden Pfuirufen die Rede Bürckels,
Nach der Kundgebung ziehen die aufgeputschten Massen zu Tausenden am Erzbischöflichen Palais vorüber und rufen in Sprechchören: „Zwei, direi, vier — Innitzer krepier“, und „Wir fordern: Der Hund Innitzer an den Galgen“. Wais die einen seit Schönerem Zeiten, die anderen aber spätestens seit dem Justlzpalast-brand immer ersehnten — ihren antiklerikalen Haß aus der Seele zu schreien —, an diesem Abend geht ihr Traum in Erfüllung.
So bitter die Ereignisse des 8. und 13. Oktober für Innitzer auch gewesen sein mögen, sie bedeuten zugleich seine Ehrenrettung. Der Papst läßt dem Kardinal durch den Nuntius seine Teilnahme ausdrücken, 130 nordamerifeanische Bischöfe senden von einer Konferenz aus ein Sympathietelegramm an Innitzer, und der Vorsitzende der deutschen Bi sch of skonf erenz, der Erzbischof von Breslau, Kardinal Bertram, schreibt an den Wiener Erzbischof einen Brief und nimmt die Wiener Vorfälle zum Anlaß, an Reicbs- kirchemmünister Kerrl eine Note zu richten, worin er auf den Kulturkampf in der Bismarck-Ära hinweist und auf den zerrüttenden Einfluß solcher Ereignisse für Frieden und Einigkeit des deutschen Volkes.
Den schönsten Brief aber erhält der Wiener Kardinal vom Berliner Bischof Graf von Preysing:
… In den schweren Stunden der Heimsuchung, die Christus, der Herr, über das Bistum Ew. Eminenz hat kommen lassen, möge Ihnen das Bewußtsein Kraft und Mut geben, daß das gläubige katholische Volk Deutschlands mit seinem Klerus in Gebet und Hoffnung mit Ew. Eminenz verbunden ist,..
Äußerst negativ für das Dritte Reich ist die Reaktion im Ausland, wo die Londonder „Times“ sogar Meldung von einer Verhaftung Innitzers in die Welt setzt. Der Sturm auf das Palais und noch mehr die Kundgebung auf dem Heldenplatz sind nach der Mordorgle des sogenannten Röhm-Futsches im Juni 1934 und dem Überfall auf Österreichs Bundeskanzleramt im selben Jahr der schlimmste Ausbruch nationalsozialistischer Barbarei, ehe die „Kristallnacht“ alles auf diesem Gebiet bisher Dagewesene noch übertrumpfen soll.
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