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Raoul Callenberg

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Raoul Wallenberg war ein junger schwedischer Diplomat, der in den letzten Monaten vor der Besetzung Budapests durch die Rote Armee durch selbstlosen Einsatz seiner eigenen Person und durch die Verwendung aller nur denkbaren Mittel zehntausenden ungarischen Juden das Leben retten konnte. Ein Monument in Budapest erinnert noch heute an die Verdienste und den Opfergang des jungen Schweden.

Denn es wurde ein Opfergang! Wallenberg wurde aus unbekannten Gründen von den Russen verhaftet und verschwand irgendwo in den Gefängnissen der Sowjetunion; nach russischen Angaben soll er 1947 gestorben sein, doch es gibt entlassene Gefangene, die ihm weit später begegnet sein wollen.

Niemand in Schweden wollte an den Tod Wallenbergs glauben. Die Fragen nach seinem Schicksal und die Forderungen nach seiner Auslieferung wollten nicht verstummen. An Stalin und Malenkow, an Molotow und Bulganin.an Chruschtschow und nun an Kossygin und Breschnew wurden diese Forderungen herangetragen. In Schweden entstand eine Art Volksbewegung für die Befreiung Wallenbergs; bei drei Staatsbesuchen nahmen die Diskussionen darüber einen großen Raum ein: Nichts von alledem führte zu einem Erfolg, niemand vermochte überzeugend darzulegen, was aus dem inzwischen weltbekannt gewordenen Schweden geworden war. In all diesen Jahren stand das Schicksal Wallenbergs wie eine Mauer zwischen dem schwedischen Volk und der Sowjetunion. Zahllose Bemühungen der Sowjets um engere Beziehungen zwischen den beiden Ländern blieben gerade aus diesem Grunde erfolglos. Das Problem Wallenberg wurde schließlich zu einem Alptraum in den Beziehungen der beiden Regierungen, da es immer wieder die Atmosphäre vergiftete.

Nun soll dieser Fall nach Meinung einflußreicher schwedischer Zeitungen endlich abgeschrieben werden. Es wäre äußerst unglücklich — so schreibt man —, wenn der Fall Wallenberg weiterhin das Verhältnis Schwedens zur Sowjetunion belasten würde. Neue und gefährliche Weltprobleme verlangen die Konzentration auf die Erfordernisse der Gegenwart. Die Regierung müsse diese tragische Geschichte endlich von der Tagesordnung absetzen, zumal die heute in Moskau regierenden Männer an ihr offenbar keine Schuld tragen ...

Wahrscheinlich sind alle diese klugen und zeitgemäßen Überlegungen richtig. Nur: In Stockholm sitzt eine weißhaarige alte Frau, die bis zur letzten Stunde ihres Lebens darauf hoffen wird, daß ihr Sohn durch seine Wiederkehr alle diese klugen Taktiker und Politiker beschämen und Lügen strafen wird!

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