Iphigenie - © Akademietheater

Goethes Iphigenie auf Tauris: Im Wiener Akademietheater

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Regisseur Ulrich Rasche sorgt in der Vorstellung "Iphigenie" mit dem für ihn typischen Mittel einer Drehbühne dafür, dass das Ensemble - mit Julia Windischbauer als Iphigenie - stets in Bewegung bleibt.

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Regisseur Ulrich Rasche sorgt in der Vorstellung "Iphigenie" mit dem für ihn typischen Mittel einer Drehbühne dafür, dass das Ensemble - mit Julia Windischbauer als Iphigenie - stets in Bewegung bleibt.

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Der Regisseur und Bühnenbildner Ulrich Rasche ist bislang weder als philologischer Feingeist noch als Meister der Menschendarstellung eines psychologischen Einfühlungstheaters mit genauer Figurenzeichnung und -führung aufgefallen. Vielmehr ist er vor allem für ein körperbetontes, monumentales Maschinen- und Überwältigungstheater bekannt. So dürfte zunächst überraschend gewesen sein, wie vergleichsweise zart die Verse aus dem berühmten Eingangsmonolog klingen, die Julia Windischbauer in der Titelrolle der Iphigenie mit genau ziselierter Diktion in das stille Dunkel des Raumes meisselt. Das wird sich in den pausenlosen, langen und fordernden zweieinhalb Stunden noch ändern, wenn der „schönen Seele“ die virile Männerwelt aus Tauris gegenübertritt.

Reduktion auf Deklamation

Sonst ist eigentlich vieles so, wie man es von Rasche kennt: Alles ist schwarz in diesem wenig beleuchteten Bühnenraum, über dem gelegentlich ein beweglicher in Rot, Violet, Orange und Blau leuchtender Balken, wie von Geisterhand mal schräg, mal bald zur Säule oder Stele aufgerichtet, atmosphärische wie räumliche Akzente setzt. Der Raum erinnert noch mehr an die Szenerie eines Raves, wenn Nebel- oder Dunstschwaden zusätzlich die Sicht behindern, was der Konzentration auf Goethes jambische Verse aber nur zugute kommt. Das ist auch nötig, denn es gibt kaum Interaktion zwischen den Darstellern und Darstellerinnen, kaum ein Spielen, sondern das Szenische reduziert sich auf Deklamation, das heißt auf schiere körperliche und hier vor allem stimmliche Präsenz. Auch das Mechanische, das Markenzeichen von Rasches Theaterästhetik, kommt nicht zu kurz. Wo Rasche draufsteht, ist stets Rasche drin, selbst dann, wenn es nicht nachvollziehbar Sinn macht. Diesmal hatte er die Idee, sein Ensemble auf einer leicht erhöhten, unablässig kreisenden Drehbühne spielen zu lassen. Auf der rotierenden Scheibe schreiten die Darsteller, – die Männer in schwarzem Netzhemd und schwarzem Rock, Iphigenie im weißen, ärmellosen Kleid – beharrlich voran, ohne vorwärts zu kommen, was einen interessanten Effekt hat. Denn die Bewegtheit der Figuren erzeugt eine anhaltende energetische Präsenz und verleiht den statuarischen „Bildern“ eine Art Belebtheit, wie sie aus dem Film, durch die fast unmerklichen Schwankungen der sogenannten „atmenden Kamera“ bekannt ist.

Begleitet vom Sound aus Keyboards (Benjamin Omerzell) und Schlagwerk (Katelyn King) rezitiert das stets einherwandelnde Ensemble die Goethe’schen Verse, mit häufig eigenwilligen stimmlichen Modulationen: von rauchig und erdig (Daniel Jesch als Thoas) über gepresst, überschlagend, wacklig (Ole Lagerpusch als Orest) bis hin zu knarrend und gequetscht (Enno Trebs als Arkas), wobei die Jamben durch eine sperrig gesetzte Zäsur gleichsam zergliedert werden. Oft wird auch im Chor deklamiert, was ein durchdringendes Klangbild erzeugt.

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