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Gerhard Schröder hat es eilig. Nicht mit der Regierungsbildung, sondern mit dem Umzug seiner Regierung nach Berlin. Nicht wie vorgesehen erst im kommenden Sommer, sondern schon im April möchte er das Kanzleramt im Spreebogen beziehen.

Das ist als Signal gemeint: Mit der SPD beginnt ein neues Zeitalter. Das Deutschland, das mit einer grün-roten Regierung ins neue Jahrtausend geht, wird in der neuen alten Hauptstadt regiert.

Wo die Hauptstadt eines Landes ist, ist nicht gleichgültig für die Politik, die dort gemacht wird. Bonn stand für ein amputiertes Land, das machtlos sein sollte (nach dem Wort des ersten NATO-Generalsekretärs Lord Ismay, die NATO sei dazu da, "die Amerikaner drinnen, die Russen draußen und die Deutschen unten zu halten") und das sich selbst Fesseln auferlegte.

Helmut Kohl war der Idealtypus des Bonner Politikers und zugleich dessen letztes großes Exemplar. Deutschland unter großem Verzicht fest ins europäische Gefüge einzubinden, schien ihm die beste Garantie dafür zu sein, daß das Land nicht abermals sich selbst und den anderen zum Feind werden könnte.

Das muß jetzt anders werden. Berlin - nicht das ehemals westliche, sondern das Zentrum im ehemaligen Osten - hat einen anderen genius loci. Jeder, der einmal dort war, muß den Machthauch gespürt haben, der an diesem Ort weht.

Vor allem in Frankreich herrscht nun die Sorge, Deutschland werde aus diesen Bindungen ausbrechen, den incertitudes allemandes (deutschen Unwägbarkeiten) anheimfallen und womöglich eine Machtpolitik nach eigenen geopolitischen Interessen veranstalten.

Aber dagegen steht, daß wenig andere Staaten auf der Welt so sehr bereit gewesen sind, sich eigener kollektiver Schuld zu stellen und aus den Verirrungen der Vergangenheit zu lernen. Nicht zuletzt deshalb ist aus Deutschland eine so starke Demokratie geworden.

Man darf also mit gutem Recht hoffen, daß die, denen eine so große Macht nicht nur im eigenen Land, sondern in Europa zugefallen ist, sie weise und zum Wohl des ganzen Kontinents nützen werden.

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