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Die Zahl junger Klienten bei Österreichs Schuldnerberatungen steigt. Experten sehen vor allem zwei Gründe für die Misere: allzu freigebige Banken und schwindenden Bezug der Jugendlichen zum Geld.

Der November ist noch nicht ins Land gezogen, doch Alexander Maly graut schon vor dem Weihnachtsmann: "Da wird mir immer mulmig", gesteht der Leiter der Wiener Schuldnerberatung. Das ungute Gefühl kommt nicht von ungefähr: Immer öfter werden Weihnachtsgeschenke durch Kontoüberziehungen finanziert. Einige Wochen nach dem frohen Fest folgt dann die böse Überraschung und treibt die bankrotten Gabenspender - bestenfalls im Februar oder März - zur Beratungsstelle. "Zu dieser Zeit verzeichnen wir die meisten Anfragen", weiß Maly aus Erfahrung. Der Ansturm ist enorm: Mittlerweile müssen Pleitiers mit fünf Monaten Wartezeit auf eine Beratung rechnen.

Der Experte kennt neben der weihnachtlichen Verschuldungskurve allerdings noch ein zweites Phänomen: Vor allem Jugendliche wollen heutzutage nicht erst auf das Christkind warten, sondern sich das ganze Jahr über jeden Wunsch erfüllen. Das eigene Mobiltelefon rangiert auf der Liste selbst gemachter Geschenke ganz oben. Wird die Handyrechnung mittels Einziehungsauftrag beglichen, dann ist der erste Schritt zur Schuldnerkarriere oft schon gemacht. "Hier geht die Übersicht verloren", weiß Maly. Dass die Mobilfunkunternehmen mittlerweile die Versandhäuser als größte Gläubigergruppe abgelöst haben, sei nur die logische Konsequenz.

Schuldenmotor Handy

Nicht große Investitionen, sondern ständige Kontoüberziehungen, die schließlich durch einen Kredit finanziert werden müssten, würden also junge Leute heute in die Schuldenfalle treiben. Eine Einschätzung, die man bei der Schuldenberatung des Vorarlberger Instituts für Sozialdienste (IfS) teilt. Auch hier schrillen beim Wort "Handy" längst die Alarmglocken. "Zu uns kommen meist Leute, bei denen sich die Handyschulden ausgewachsen haben", erklärt Schuldnerberater Ottmar Krämer vom IfS. Ein Blick auf die Statistik verheißt nichts Gutes: So ist die Zahl Rat suchender Klienten unter 25 Jahren im ersten Halbjahr 2002 im Vergleich zum Vorjahr um ganze 70 Prozent gestiegen. Insgesamt würden heuer rund 200 Jugendlichen die Kosten von Handy, Auto, Kleidung oder Disco-Besuchen über den Kopf wachsen und sie zum IfS führen, schätzen die Experten.

Angesichts dieser Entwicklungen ist für die Berater die Schuldenprävention das Gebot der Stunde. Ein erhobener Zeigefinger nützt wenig, sind sie überzeugt. Mehr Widerhall erwartet man sich von spielerischen Methoden: So soll das Computerspiel "Cash und Co" die Jugendlichen dabei unterstützen, verantwortungsvoller mit ihren Finanzen umzugehen. Entwickelt wurde die CD-Rom von Schülern des BORG Lauterach - gemeinsam mit der Fachhochschule Vorarlberg. Aufgabe der vier virtuellen Spielfiguren ist es, mit kleinen Budgets großen Verlockungen und einem gefräßigen Kredithai zu entkommen. Auch das Projekt "Schuldenfrei ins Leben", das vom IfS gemeinsam mit der Vorarlberger Landesregierung, dem Arbeitsmarktservice (AMS) und der Wirtschaftskammer Vorarlberg ins Leben gerufen wurde, soll zur Bankrott-Prophylaxe dienen: Dabei will man Jugendliche in Schulen, Lehrlingsausbildungseinrichtungen und Firmen mit den Folgen unbedachten Konsums konfrontieren.

"Chaos" bei Jugendkonten

Von der Wirkung solch spielerischer Präventionsmaßnahmen hält Alexander Maly nicht allzu viel. "Das hat reine Feigenblattfunktion", kritisiert der Wiener Schuldnerberater. "Wenn wir in einer Klasse über Kontoüberziehungen reden, haben die Banken längst neue Begriffe ohne Beigeschmack kreiert. Bei dieser milliardenschweren Werbemacht läuft man immer hinterher." Mehr als von der Aufklärungsarbeit unter Jugendlichen erhofft sich Maly von Gesetzesjustierungen und mehr Kontrollen im Bankenbereich.

Durch eine jüngst vorgenommene Erhebung der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft fühlt sich Maly in seiner Einschätzung bestätigt. Im Rahmen eines "Mystery Shoppings" besuchte ein sechzehnjähriger Jugendlicher, der sich als Schüler mit Einkünften aus Nachhilfe und Ferialpraxis ausgab, in Begleitung der Anwaltschaft 15 Filialen von insgesamt sieben Bankinstituten. Mit dem Vorsatz, ein Jugendkonto eröffnen zu wollen, bat er um Informationen über Zinsen, Überziehungsrahmen und Bankomatkarte. Fazit: Bei vier von sieben Instituten wurden unterschiedliche Informationen in den beiden Zweigstellen gegeben. Auch die Beratungsdauer von durchschnittlich sieben Minuten war nach Meinung der Kinder- und Jugendanwaltschaft alles andere als zufriedenstellend: "Eine Mitarbeiterin hat dem Jugendlichen gleich nur einen Folder in die Hand gedrückt", empört sich Anwalt Anton Schmid und spricht von einem "Chaos" bei den Jugendkonten. Erschüttert zeigte man sich über die teilweise falschen Auskünfte zum Thema Überziehungsrahmen und Bankomatkarte, hieß es doch ein Mal, dass der 16-Jährige "sofort und ohne Unterschrift der Eltern" eine Bankomatkarte mit Überziehungsoption erhalten könne. Die "verdeckt" untersuchten Bankinstitute weisen die Kritik entschieden zurück: "Ein 16-Jähriger ohne Einkommen bekommt bei uns sicher keinen Überziehungsrahmen", erklärt man bei der P.S.K. und BAWAG. Dementis auch bei der Bank Austria-Creditanstalt: "Dieser Jugendliche würde weder einen Überziehungsrahmen noch eine Bankomatkarte bekommen."

Tatsache ist, dass Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nur mit Unterschrift der - in diesem Fall haftenden - Eltern eine Bankomatkarte erhalten dürfen (zu den rechtlichen Bestimmungen und Ausnahmen siehe Kasten unten). Haben diese keine Unterschrift geleistet, sind sie auch zu keinen Zahlungen verpflichtet, stellt Thomas Mader von der Schuldnerberatung Oberösterreich klar. Dennoch begehen manche Eltern einen folgenschweren Fehler. Statt das Geschäft ihres minderjährigen Kindes (nach geltender Rechtslage) als ungültig zu erklären, schimpfen sie bloß - und zahlen am Ende doch.

Kids im Konsumrausch

Auch pädagogisch bewertet Mader das stete Einspringen der Eltern für die Schulden ihrer Kindern als fatal: "Wenn die Eltern ihren Kindern immer alle Wünsche finanzieren, dann verlieren die jede Relation." Schon Taferlklassler befänden sich heutzutage im Konsumrausch und befänden sich oft unter Gruppenzwang, doch das Thema Geld sei nach wie vor mit einem Tabu belegt - auch in der Familie: "Wir erleben oft, dass Jugendliche nicht wissen, was ihre Eltern verdienen und wofür sie Geld ausgeben." Um diesen Bezug herzustellen, hat die Schuldnerberatung Oberösterreich heuer das Projekt "Weil kein Geld vom Himmel fällt..." initiiert. Man wolle schon Volksschülern vermitteln, "dass das Geld nicht aus dem Bankomaten kommt". Eltern rate man, Einnahmen und Ausgaben der Familie auf den Tisch zu legen und bei vorzeitigem Taschengeld-Nachschub zurückzuhaltend zu sein. "Wenn man das nicht tut", weiß Mader, "wird's ab 18 Jahren brenzlig."

Das Computerspiel "Cash und Co" wird beim Institut für Sozialdienste gratis abgegeben - Infos unter (05574) 46 185 und www.ifs.at. Weitere Informationen bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien (www.kja.at) sowie bei der Schuldnerberatung Oberösterreich (www.schuldnerberatung.at).

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