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Ein Mann und eine Frau

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Der Name von Arnos Oz prägte sich ein, als vor einigen Jahren sein Roman „Keiner bleibt allein“ erschien, ein Roman, der ein Bild zeichnete von dem Leben im Kib-buz und den Gesetzen, die es bestimmen. Der Autor wurde 1939 in Jerusalem geboren, gehört also einer Generation an, die bereits in Israel aufwuchs. Sein Elternhaus verließ er mit fünfzehn Jahren, um seitdem in einem Kibbuz zu leben, und obwohl er inzwischen ein international berühmter Autor wurde, hat er nicht aufgehört, dort als Lehrer zu arbeiten.

Schauplatz des Romans ist die Stadt Jerusalem, wo an einem Wintertag des Jahres 1950 der Student Michael Gonen eine Studentin zufällig kennenlernt. Was sich nun entwickelt, ist die Geschichte einer in der Ehe versandenden Liebe, zehn Jahre später im Rückblick erzählt von der einstigen Studentin Hannah: „Ich bin dreißig Jahre alt und eine verheiratete Frau. Mein Mann, der Geologe Dr. Michael Gonen, ist ein gutmütiger Mensch. Ich liebte ihn. Wir lernten uns vor zehn Jahren im Terra-Saneta-College kennen.“ Station um Station der erloschenen Liebe wird beschworen.

Zuerst die Zeit vor der Heirat: kein fröhliches Funkeln ist in Michaels Augen. Er ist nicht witzig. Er ist schüchtern. Er ist verlegen. Er ist der angehende Gelehrte, sachlich, nüchtern, trocken. Sie liebt ihn so, wie er ist, und eines Tages fällt in der zarten Zuneigung, die Angst hat vor der Liebe, das Wort Heirat.

Später müssen die jungen Leute mit den Fragen fertig werden, die sich in ihrer Ehe aus der Verschiedenheit der Charaktere und Temperamente ergeben, ebenso wie mit den Problemen, die ihnen ihre Umwelt und ihre Armut aufgibt. Es ist schwer ztP rechtzukommen, auch wenn Michael ein Stipendium erhalten hat, auch wenn Hannah vormittags als Kindergärtnerin arbeitet. Die Monotonie der ewig gleichen Tagesläufe wird bewußt, wirkt tötend, sie bleibt, auch als ein Kind da ist und heranwächst. Sind es nur zwei Menschen, die aneinander scheitern? Es sind auch zwei Prinzipien, die sich in diesen Menschen gegenüberstehen: Die Rationalität des Mannes und das traditionsbewußte, gefühlsvolle Wesen der Frau.

Arnos Oz gilt heute als der bedeutendste Vertreter moderner israelischer Literatur. Seine zarte Kunst realistisch-psychologischen Gestaltens, die menschliche Verhaltensweisen und innere Seelenzustände intensiv zu durchleuchten weiß, erweist sich als eine Erzählform von zeitloser Gültigkeit, von der sich freilich eine gleichaltrige literarische Generation in Deutschland entschieden abgewendet hat.

MEIN MICHAEL. Von Arnos Oz. dachen Verlag, Düsseldorf 1979, öS 231,20.

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