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Verzicht auf Verzicht

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Die im Jänner vom Herausgeber der „Deutschen National- Zeitung”, Dr. Frey, gegründete überparteiliche „Deutsche Volksunion” hat sich mit einer Großkundgebung in München vorgestellt. Proteste in den Massenmedien sowie eine von den Spitzen der lokalen SPD und FDP organisierte und von der DKP wirkungsvoll unterwanderte Gegendemonstration sorgten im Verein mit anschließenden Prügeleien vor Polizeisperren für weitgehende Absenz der Öffentlichkeit. Wer mit seiner Eintrittskarte «zum Versammlungsgebäude durchkommen wollte, mußte einen moralischen Spießrutenlauf absolvieren.

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Die im Jänner vom Herausgeber der „Deutschen National- Zeitung”, Dr. Frey, gegründete überparteiliche „Deutsche Volksunion” hat sich mit einer Großkundgebung in München vorgestellt. Proteste in den Massenmedien sowie eine von den Spitzen der lokalen SPD und FDP organisierte und von der DKP wirkungsvoll unterwanderte Gegendemonstration sorgten im Verein mit anschließenden Prügeleien vor Polizeisperren für weitgehende Absenz der Öffentlichkeit. Wer mit seiner Eintrittskarte «zum Versammlungsgebäude durchkommen wollte, mußte einen moralischen Spießrutenlauf absolvieren.

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Oberbürgermeister Vogel, Exministerpräsident Hoegner sowie ein Gewerkschaftler mit KZ-Erfahrung traten bei der Gegendemonstration jeder Wiederbelebung des Rechtsradikalismus schärfstens entgegen. Auftakt der dreistündigen Veranstaltung der Volksunion in dem mit den Länderwappen des Deutschen Reichest geschmückten Schwabinger- Bräü bildete die Vorstellung einiger Mitglieder. Funktionäre, durchwegs aus dem zweiten Glied von NPD, Bayernpartei, CSU, CDU und FDP bis hin zu einem parlamentarischen Repräsentanten des „zweiten deutschen Staates”, Österreich, und einem Oberstleutnant als „Vertreter des Millionenheeres geschundener deutscher Soldaten”, sollten wohl die Bandbreite des neuen Vereins unter Beweis stellen. Laut Satzung versteht sich die DVU als „überparteiliche Sammlung der verfassungstreuen Mitte und Rechten”, die es auf sich genommen hat, Recht und Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen.

Frey verwahrte sich vor seinem aus der ganzen Bundesrepublik herbeigereisten, großteils älteren Publikum gegen den Gedanken einer Parteigründung, die die Rechte nur noch weiter aufsplittern würde. Sein Verein sei der Versuch, mittels einer „starken Kraft” moralische und legale Pressionen auf die CDU/CSU auszuüben und ihr ein Rückgrat einzuziehen. Im Kampf gegen Brandts Verzichtspolitik, die den deutschen Menschen zum Konsumenten und Feigling herabwürdige, sei nun einmal die Unterstützung der CDU/CSU das kleinere Übel.

Die Kampfansage, meinte Frey, gelte auch nicht den Sozialdemokraten schlechthin, sondern nur denen, die es aufgegeben hätten, den zweiten Weltkrieg, im Sinne der Interessen des deutschen Volkes, politisch zu gewinnen. Selbst beim Kommunismus müsse man differenzieren: „Wir haben nichts gegen den Kommunismus in China. In einem gewissen Sinne können Sie auch mich als Anhänger Maos sehen.” Denn, so der DVU-Vorsitzende später, beide Länder hätten einen gemeinsamen Feind, die Sowjetunion. In diesem Sinne müsse die Bindung an den Westen und die USA verstärkt, das „Europa der Vaterländer” propagiert und im Interesse Deutschlands kein Friedensvertrag, sondern eine Reihe bilateraler Verträge „zu unseren Gunsten” erreicht werden.

Mit gut 3000 Mitgliedern sei die Deutsche Volksunion die größte rechtsstehende Vereinigung, der auch der „Machtfaktor der im Na- tional-Zeitungs-Verlag erscheinen den Blätter” zur Verfügung stehe unc die somit in Presse und Versammlungen eine „wahrheitsgemäße Agitation” durchführen könne.

Der „ungeheure Terror”, der gegen die DVU entfesselt werde, dürfe keine Entgegnung finden, alle aber sollten ihr Bestes geben „für ein deutsches Deutschland in unseren gerechten Grenzen… Ich verspreche Ihnen, ja ich möchte es Ihnen schwören: Wir werden niemals verzichten!” Die Diskussion, in der sich überwiegend Befürworter zu Worte meldeten, bot Frey Gelegenheit, sich von einigen Gruppierungen innerhalb der Rechten abzusetzen. Obwohl viele der überwiegend jungen Saalordner das „W” der Aktion Widerstand am Rockaufschlag trugen, identifizierte sich der DVU-Vorsitzende nur teilweise mit deren Aktivität. Der NPD warf Frey vor, sie verhelfe bei den Landtagswahlen letztlich der SPD zum Sieg. Gegen Thadden scheint der DVU-Vorsitzende eine persönliche Animosität zu hegen, wohl, weil Thadden die „National-Zeitung” mehrfach ab- qualifiziert hat.

Daß die DVU allerdings zum „Schwert über der CDU/CSU” wird, ist wohl reines Wunschdenken von Dr. Frey. Die drei Prozent von den Beziehern der „National-Zeitung”, die sich nach einer Zweimonatskampagne zum Eintritt in die DVU entschlossen, sowie die Spannungen unter den Mitgliedern, die sich nach wie vor den verschiedensten Bünden und Parteien von extrem rechts bis Mitte links zugehörig fühlen, eröffnen keine rosigen Perspektiven für diese neue Lobby der deutschen Rechten.

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