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Was hilft Familien?

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SP-Familiensprecherin Ga-brielle Traxler wirft der ÖVP vor, mit der Mehrkinderstaffelung (FURCHE 31/1989) bei der Kinderbeihilfe „Bevölkerungspolitik“ machen zu wollen.

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SP-Familiensprecherin Ga-brielle Traxler wirft der ÖVP vor, mit der Mehrkinderstaffelung (FURCHE 31/1989) bei der Kinderbeihilfe „Bevölkerungspolitik“ machen zu wollen.

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Die Familienpolitiker zerbrechen sich die Köpfe, was mit ein paar Milliarden geschehen soll, die aufgrund der rückläufigen Kinderzahl . jährlich im Farn i 1 i en ausgleichstonds „übrigbleiben“ werden. Die Volkspartei will eine nach Kinderzahl gestaffelte Familienbeihilfe, die sozialistische Partei will die Höhe nach dem Alter der Kinder differenzieren.

In dieserDiskussionhatsichkürzlich die sozialistische Familiensprecherin Gabrielle Traxler zu Wort gemeldet: Die ÖVP wolle mit ihrer Forderung nach Mehrkinderstaffelung gewissermaßen enpassantauch Bevölkerungspolitik betreiben, warf sie Staatssekretär Günter Stummvoll vor.

Doch eine Analyse der familien-und steuerpolitischen Konzepte beider Großparteien zeigt, daß der Vorwurf falsch ist. Und zwar deshalb, weil sowohl die Sozialistische Partei wie auch die Volkspartei mit ihren familienpolitischen Vorstellungen sowieso bevölkerungspolitische Konzeptionen verfolgen. Der Unterschied ist nur, daß die sozialistische Bevölkerungspolitik längst in die Praxis umgesetzt ist. Sie läuft in ihrer praktischen Zielsetzung nicht auf die Zunahme der Kinderzahl hinaus, während jüngste Vorstellungen von Volkspartei und Familienverbänden von der Annahme ausgehen, in Österreich gebe es zuwenig Kinder, die Geburt von mehr Kindern wäre wünschenswert.

Das Paradoxe ist, daß SP-Politi-ker sich an einem Zusammenhang vorbeischwindeln wollen, den sie selbst hergestellt haben: Das von ihnen maßgebend miterrichtete Gebäude der Altersvorsorge basiert nämlich auf der Annahme, daß die Zahl der Kinder es zumindest ermöglicht, die jeweilige Elterngeneration zu ersetzen, und daß es immer ein ausgewogenes Verhältnis zwischen aktiv Erwerbstätigen und Pensionisten gibt.

Die sozialistische „Bevölkerungspolitik“ hat gerade dieses Verhältnis zum Kippen gebracht: Die Einführung der Individual- statt Familienbesteuerung, in Zusammenhang mit geradezu lächerlich niedrigen Absetzbeträgen für nicht erwerbstätige Ehefrauen und Kinder, hat dazu geführt, daß die Gründung einer Familie mit mehr als ein oder zwei Kindern unattraktiv wird. Nicht nur ein hoher Mehrwertsteuersatz sorgt dafür, daß Großfamilien materiell unter die Bäder kommen, sondern auch der Umstand, daß Familiengröße und Aufwendungen in der Lohn-und Einkommenssteuer so gut wie nicht berücksichtigt werden.

In dieser Tatsache liegt der wesentliche Grund dafür, daß die Mehrkinderfamilie in Österreich auf dem Rückzug und die Geburtenquote auf nur mehr 1,4 Kinder zurückgefallen ist: Während die Zahl der Familien mit ein oder zwei Kindern unter 15 Jahren seit Beginn der siebziger Jahre etwa gleichgeblieben ist, hat sich die Zahl der Mehrkinderfamilien (drei oder mehr Kinder unter 15) seit 1971 von 210.000 auf 09.000 verringert.

Die „Bevölkerungslücke“ ist auf die Zurückdrängung dieses Fami-. lientypus zurückzuführen. Insofer-ne war also die sozialistische „Bevölkerungspolitik“, der die nicht berufstätige Frau und Mutter mehrerer Kinder ein Dorn im Auge war, ein „Erfolg“.Das Pech ist nur, daß jetzt-als Folge dieser dramatischen soziokulturellen Veränderung — auch das staatliche Pensionssystem vor dem Zusammenbruch steht.

Jedenfalls ist es geradezu absurd, wenn nun der Volkspartei der Vorwurf gemacht wird, sie wolle mit ihren familienpolitischen Vorschlägen Bevölkerungspolitik betreiben.

Die erfolgreichste Bevölkerungspolitik - allerdings in Richtung auf weniger, nicht mehr Kinder - hat die SPÖ selbst gemacht, und zwar mit ihrer langfristig wirksamen Steuerreform 1973: Ihre Auswirkungen waren für den Uneingeweihten nicht so leicht durchschaubar, aber dafür umso effektiver. Im Ergebnis bestraft sie alle Frauen, die sich in ihrem inneren Zweikampf zwischen Beruf und mehr Kindern für mehrere Kinder und damit für den längerfristigen Ausstieg aus der Berufswelt entscheiden, massiv - nämlich im Steuer- und Pensionssystem sowie beim Karenzgeld.

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