Bürgerliste drauf, Partei drinnen

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Bürgerlisten entpuppen sich oft bloß als alter Wein in neuen Schläuchen.

Theoretisch ist alles ganz einfach. Bei Wahlen für Volksvertretungskörper auf allen Ebenen - Gemeinde, Land und Bund - müssen keineswegs Parteien im engeren Sinn antreten. Jeder Bürger kann eine Liste erstellen und kandidieren. Man muss nur eine Handvoll Mitstreiter finden sowie ausreichend Unterstützungserklärungen sammeln. Angesichts der geringen Popularität von Parteien - weniger als ein Drittel der Österreicher haben von diesen eine halbwegs gute Meinung - klingt das wunderbar.

"bottom up" statt "top down"

Demokratiepolitisch ist es ebenfalls begrüßenswert, wenn Bürger ihresgleichen als Volksvertreter wählen. Mit der größtmöglichen Nähe zwischen Regierenden und Regierten. Jedenfalls hört sich das besser an als eine Wahl von letztlich anonymen Parteilisten. Bei diesen weiß oft schon am Tag nach der Wahl niemand mehr den Zweit-oder Drittgereihten, obwohl man indirekt für oder gegen ihn gestimmt hat.

Die Realität sieht im vielfachen Sinn anders aus. Der Name Bürgerliste unterstellt lediglich, dass nicht "top down" von der Parteispitze Kandidaten aufgestellt werden. Sondern "bottom up" die Basis sich formiert. Sehr oft gründen in Wirklichkeit Parteien selbst angeblich freie und namentliche Listen - Personenkult inklusive. Ist ein Dorfkaiser halbwegs populär oder treibt Jörg Haider den Populismus auf die Spitze, so steigen dadurch die Erfolgschancen im Wahlkampf. Mit der Ursprungsidee von Bürgerlisten oder-initiativen als Produkt von sozialen Bewegungen hat das wenig zu tun.

Auch nicht gerade selten werden Parteilisten mit parteinahen Pseudo-Bürgerlisten zusammengeschlossen. Getrennt schlagen, vereint siegen. Die Bezeichnungen "ÖVP und Listen" sowie "sonstige Listen" in offiziellen Statistiken für Gemeinderatswahlen sagen alles. Manchmal hat man sich vorab sogar intern geprügelt, um sich im Gemeinderat zu vertragen, wenn es gegen den Klassenfeind geht. In der Tiroler Landeshauptstadt hieß es "Für Innsbruck", weil der abtrünnige Herwig van Staa die ÖVP nicht mehr mochte und diese ihn nicht. Später wurde der rebellische Bürgermeister zum ÖVP-Landeshauptmann. Seine Nachfolgerin Hilde Zach war weiterhin für Innsbruck und regierte mit Unterstützung der Volkspartei.

Aufregung ist unangebracht, schließlich trat als steirisches Pendant in Mürzzuschlag sogar die KPÖ als ProMZ an. In Purkersdorf sicherte sich 2005 der bei der Landes- und Bundes-SPÖ in Ungnade gefallene Karl Schlögl via Namensliste eine Mehrheit im Gemeinderat. Ebenda gab es eine Liste Baum und Grüne. Es handelte sich um eine Wahlkooperation der Bürgerliste des Josef Baum mit der grünen Ortsgruppe.

"Im Streit geschieden …"

Die Aufzählung von Bürgerlisten mit Parteiwurzeln und/oder-bezügen ist ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ehemalige Spitzenfunktionäre von Parteien gründen, kaum im Streit geschieden, genauso gerne eine Bürgerliste. In Innsbruck war das Rudi Federspiel. Dasselbe tat dessen Ex-Parteikollege und ehemaliger FPÖ-Parteiobmann Wolfgang Rauter im Burgenland. Oder Hermann Nonner in Sankt Pölten.

Im Land sind parteiunabhängige Listen ein noch schwierigeres Unterfangen: 2.600 Unterschriften für die Nationalratskandidatur wären zu schaffen. Doch wie soll man ohne Strukturen und Geld einen überregionalen Wahlkampf führen? Das geht nur mit Medienhilfe, was sich relativ bizarre Listen von Hans-Peter Martin (MATIN) bis Gerhard Hirschmann (LH) zu Nutze machen wollten. Beide sind auch nicht gerade frei von ihrer auf Parteien bezogenen Vergangenheit.

Natürlich gibt es eine Reihe Positivbeispiele von der Vergangenheit bis zur Gegenwart. In der Stadt Salzburg erreichte 1977 eine Bürgerliste mit dem Schauspieler Herbert Fux zwei Mandate. Das Transitforum hätte in Tirol gute Chancen. Doch solange manche andere Bürgerlisten von Parteien aufgestellt werden, ist ihr Image ein Zweifelhaftes. Einzige Chance für wirklich unabhängige Listen wäre allerdings ein parteiliche Vereinnahmungen ausschließendes Wahlrecht.

Der Autor ist Professor für Demokratiestudien und Politikforschung sowie Leiter des Departments Politische Kommunikation an der Donau-Universität Krems.

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