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Zweifelsohne kann das Gewerbe durch die Fremden eine wirkliche Belebung erwarten. Hier zeigt sich jedoch die Besonderheit einer gegenseitigen Abhängigkeit: der Fremdenverkehr entsteht erst oft dann, wenn bestimmte Dienstleistungsbetriebe — Kaffeehäuser, Photogeschäfte, Taxiunternehmen und so weiter — vorhanden sind. Eine Betriebsgründung kann meistens aber erst nach dem Entstehen eines Bedarfs erfolgen. Es wird daher notwendig sein, dieses wechselseitige Zusammenspiel zu organisieren.

Kennzeichnend für die derzeitige Situation ist, daß sich im Waldviertel, dem traditionellen Gebiet der Hausindustrie und der Heimarbeit, augenblicklich kaum ein Gewerbezweig mit dem Herstellen von Reiseandenken befaßt. In der Wachau werden als bodenständige Erzeugnisse von den Fremden bloß Goldhauben, Taschen und Strohkörbe erworben. Auf dem Gebiet der Andenkenindustrie könnten sich aber die Waldviertier Betriebe der Perlmutterdrechslerei, der Holzbearbeitung und der Textilindustrie betätigen.

Und der Einfluß des Fremdenverkehrs auf die Industrie? Die notwendigen neuen Dauerarbeitsplätze in den industrialisierten Gerichtsbezirken Gmünd, Schrems und Litschau können gewiß nicht allein von der Fremdenverkehrsförderung erwartet werden. Eine räumliche Verbindung von Industrie und Tourismus wird außerdem schon deswegen abgelehnt, da durch Lärm, Abgase, Fabriken und Werksverkehr kein vorteilhaftes Erholungsklima geschaffen wird. Eine derartige Atmosphäre kennen ja die meisten aus Industriestädten stammenden Sommerfrischler von ihren Wohnorten her. Im Urlaub wollen sie einmal die Ruhe und die frische Luft genießen, nicht aber die gleichen Belastungen wie zu Hause mitmachen.

Für die Verständnislosigkeit gegenüber den eigenen Problemen und Bedürfnissen zeugt der Umstand, daß sich etliche florierende Fremdenverkehrsorte des Waldviertels um Industrieansiedlungen bewerben. Der Grund für ein solches, im ersten Augenblick verblüffendes Verhalten liegt wohl darin, daß der Fremdenverkehr nur teilweise den Bedarf an Dauerarbeitsplätzen befriedigen kann. Außerdem müssen wir trotz der derzeitigen Konjunktur im Fremdenverkehr stets darandenken, daß die Nachfrage in diesem Wirtschaftszweig großen Schwankungen unterworfen ist. Die Beliebtheit eines Landschaftsraumes hängt oft allein von der Mode, also von der augenblicklichen Entwicklungsrichtung ab.

Diese Konjunkturempfindlichkeit des Fremdenverkehrs macht uns daher bewußt, daß dieser Wirtschaftszweig für die unterentwickelten Gebiete eine willkommene Einkommensergänzung, aber keine endgültige Hilfe in der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung sein kann.

Im Waldviertel bestehen gewiß zahlreiche Gelegenheiten, den Fremdenverkehr auszuweiten und damit auch die anderen Wirtschaftszweige günstig zu beeinflussen. Das Österreichische Institut für Raumplanung hat im Auftrag der niederösterreichischen Landesbaudirektion diese Möglichkeiten in einem Entwicklungsprogramm für den Fremdenverkehr dieses Landesteiles in ausführlicherer Form zusammengefaßt. Es liegt nun an den zuständigen Institutionen, den Gemeinden und den einschlägigen Betrieben, von diesen Vorschlägen zur Hebung des Wald-viertler Tourismus Gebrauch zu machen.

Es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, daß dem Waldviertel nur die Industrieförderung zum Vermehren der Dauerarbeitsplätze verhelfen kann. Neue Industriebetriebe an dafür geeigneten Standorten werden gewiß zum allgemeinen Wirtschaftsaufschwung im Waldviertel führen. Ob die für das Mühlviertel vorgeschlagene Methode — Zusammenfassung der neuen Betriebe in den wichtigsten Hauptorten zu Entwicklungskernen — auch für das Waldviertel anwendbar sein wird, ist derzeit noch ungewiß.

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