Die Suche nach der absoluten Figur

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Der Bildhauer Joannis Avramidis wird anlässlich seines 90. Geburtstags mit einer Ausstellung in der Galerie bei der Albertina geehrt. Es ist dies - mit je dreißig Skulpturen und Zeichnungen - die erste umfassende Werkschau des Künstlers, die in Wien zu sehen ist.

Er hat sich jahrzehntelang geziert - nun ist es doch gelungen, Joannis Avramidis zu einer umfassenden Werkschau zu bewegen. Die Galerie bei der Albertina stellt erstmals in Wien dreißig Skulpturen und dreißig Zeichnungen aus allen Schaffensbereichen und -epochen des Künstlers aus, der in seinen Arbeiten nach dem perfekten Menschen sucht und sich dabei stark an der Antike orientiert. Sowohl im öffentlichen Raum als auch in wichtigen Museen ist Avramidis, der 1922 als Sohn griechischer Eltern im georgischen Batumi geboren wurde und 1943 nach Wien kam, vertreten. 1962 gestaltete er den österreichischen Beitrag zur Biennale in Venedig, 1974 und 1977 war er bei der documenta in Kassel. 1973 wurde er mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet, anlässlich seines 90. Geburtstags erhielt er kürzlich das Große Goldene Ehrenzeichen mit Stern.

Auf der Suche nach der absoluten Figur hat der Künstler oftmals variiert, was er einmal als Einzelfigur, einmal als "Polis“ auftreten lässt: eine gesichtlose, glatte Figur. Als Solitär wie "König Minos“ oder "Trojaner“ erhaben und stolz wirkend, werden die Figuren bei der "Polis“-Ausführung in ihrer Vielzahl und aufeinander gestapelt je einer von vielen. Avramidis stellt lauter gleich aussehende Figuren auf- und nebeneinander, Symmetrie spielt bei ihm eine wichtige Rolle. "Eine absolute Figur entsteht zum Beispiel, wenn ich eine absolute Symmetrie annehme, wenn ich ein Profil vierfach, auf allen Seiten ausführe. Ich kann das machen. Die Natur macht das nicht“, sagt Avramidis.

Humanitätssäule

Die Humanitätssäule wird somit als Kollektivkörper aus zahlreichen seiner Figuren geformt - alle in gleicher Größe und mit gleichem Abstand voneinander, einmal werden drei "Stockwerke“ Menschenreihen aufeinander gestapelt, einmal acht. Auch wenn sich Avramidis von seinem Hauptthema entfernt, bleibt er seinem Stil treu, selbst wenn seine Arbeiten einmal glatt, bohnenförmig und voluminös, dann wieder scharfkantig sind. Gesichtslos sind fast alle seine Figuren. Sein Faible für Material von Gips über Kunstharz und Bronze bis zu Edelstahl kann man nicht nur an seiner Wahl desselben für die Skulpturen erkennen - ein Kopf aus Edelstahl ist so schwer, dass er von einem Kran aufgestellt werden musste, obwohl er keine 30 Zentimeter groß ist - sondern auch an den Rahmen der Zeichnungen, die Avramidis selbst schuf.

Bei der Kreation der Ausstellung in der Galerie bei der Albertina hatte der Künstler selbst ein großes Wort mitzureden. Seine Tochter übermittelte den Galeriebesitzern, wie er seine Werke gerne präsentiert haben wollte. "Er wollte eine klare Linie sichtbar machen, besonders wichtig war ihm, dass außer seinen eigenen Werken keine anderen in der Galerie zu sehen waren - er wollte, dass die Schau durchaus museal wirkt“, sagt eine Mitarbeiterin der Galerie, in welcher derzeit einzig beim Stiegenaufgang drei kleine Bilder von anderen Künstlern hängen. Den Skulpturen, die eigentlich fürs Freie geschaffen sind und im Ateliergarten des Künstlers besonders zur Geltung kommen, wurde in der Galerie also großzügig Platz zugesprochen. An den Wänden hängen zugehörige Zeichnungen, die teilweise wie Skizzen zu den Skulpturen aussehen, aber großteils als eigenständige Werke betrachtet werden können und ebenso die Suche des Künstlers nach dem absoluten Menschen widerspiegeln.

Gravitätischer Ruhepol

In all seinen Arbeiten orientiert sich Avramidis stark an der Antike, was derzeit auch in einer Gegenüberstellung einiger Werke mit solchen der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums ebendort aufgezeigt wird (bis 4. 11.). "In der bewegten Skulpturengeschichte der letzten Dezennien hat kein zweiter Bildhauer derart beharrlich und folgerichtig aus dem griechisch-antiken Gehalt seine Figurenwelt entwickelt. Avramidis’ Plastiken bilden in der Gegenwart einen Ruhepol, der in seiner gravitas eigentümlich anziehend und zugleich geheimnisvoll wirkt“, schreibt Christa Lichtenstern im Katalog der Schau.

Joannis Avramidis

Galerie bei d. Albertina, Lobkowitzpl. 1, 1010 Wien

bis 31. Jänner 2013, Mo-Fr 10-18, Sa 11-14 Uhr

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