Ein sakramentales Gedenken

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"So ist die Freiheit mir in Allem das Ursprüngliche, und wie das Erste so das Innerste." Diesen Gedanken hat der evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher über die Religion geäußert. Die Freiheit sei ihr Anfang. Sie schickt die Blicke aus und macht die Sehnsucht groß und sie schenkt Lieder. Sie weiß, dass niemand sich selbst gehört und sie sehnt sich immer nach dem ganz Anderen. Darum ist Aufbruch in ihr und der Wunsch, das Wunder zu glauben und also Grenzen zu überschreiten, zu fahren über die Meere...

Horkheimer, der gesagt hat, dass Sehnsucht "zum wirklich denkenden Menschen gehöre" hat eine "auf Sehnsucht begründete Theologie" gefordert. In Tagen wie diesen gehen die Gedanken zurück und die Sehnsucht, dass alles hätte anders sein müssen, damit die Jahre 1938-1945 so nicht ins Buch der Geschichte eingegangen wären und wir mit der Aufarbeitung und den bitteren Folgen des Jahrhunderttraumas ja nie fertig werden können und das auch nicht sollen. Nie.

Zur gleichen Zeit kommen alle die fliehenden Menschen mit ihren Sehnsüchten nach Heimat und Freiheit. Vielleicht sollten das Gedenken an den 8. Mai 1945 und das gegenwärtige Erleben der Heimatsuchenden in unserem Denken und Glauben einen neuen Zusammenhang bilden. Dass unser Gedenken ein sakramentales sei. Damit wir es tun, der Freiheit des Jesus zum Gedächtnis. Eingedenk der Tatsache, dass jede Grenze ein Ort der neuen Erkenntnis sein kann. Denn Religion geschieht "dicht an der Grenze des Nichts", meint Schleiermacher. Und der "religiösen Anschauungen gibt es unendlich viele". Die Freiheit sei der Anfang.

"Ich hoffe, ich werde noch Zeuge einer anderen Welt", hat die Sängerin Cynthia Nickschas gedichtet und noch einen wichtigen Satz: "Negative Gedanken bilden nur neue Schranken." Ich aber ersehne die Freiheit!

Die Autorin ist Pfarrerin an der Lutherischen Stadtkirche in Wien

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