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Fort mit Sokrates und Cicero
Eine aus vierzig Mitgliedern bestehende Verfassungskommission hat für die DDR eine neue „sozialistische Verfassung" ausgearbeitet, die am 31. Jänner der Volkskammer in Berlin (Ost) vorgelegt und von dieser am 26. März 1968 bestätigt wurde. Am 6. April 1968 wurde sie einer Volksabstimmung unterzogen und mit der in Diktaturstaaten üblichen erdrückenden Mehrheit, diesfalls mit 94,3 Prozent der Stimmen der Stimmberechtigten, angenommen. Nur 409.329 Wahlberechtigte von rund 12 Millionen stimmten dagegen. Dafj solchen Abstimmungsergebnissen kein Beweiswerf zukommt, bedarf keiner Begründung. Es handelt sich um eine oktroyierte Verfassung, wie wir sie etwa aus der österreichischen Geschichte der Jahre 1848 49 kennen.
Eine aus vierzig Mitgliedern bestehende Verfassungskommission hat für die DDR eine neue „sozialistische Verfassung" ausgearbeitet, die am 31. Jänner der Volkskammer in Berlin (Ost) vorgelegt und von dieser am 26. März 1968 bestätigt wurde. Am 6. April 1968 wurde sie einer Volksabstimmung unterzogen und mit der in Diktaturstaaten üblichen erdrückenden Mehrheit, diesfalls mit 94,3 Prozent der Stimmen der Stimmberechtigten, angenommen. Nur 409.329 Wahlberechtigte von rund 12 Millionen stimmten dagegen. Dafj solchen Abstimmungsergebnissen kein Beweiswerf zukommt, bedarf keiner Begründung. Es handelt sich um eine oktroyierte Verfassung, wie wir sie etwa aus der österreichischen Geschichte der Jahre 1848 49 kennen.
In. der Bundesrepublik Deutschland gilt es als unzulässig, die DDR anders als in Anführungszeichen zu nennen, Es sei denn, man gebrauche den Ausdruck „SBZ“ (Sowjetische Besatzungszone Deutschland). Auch der Ausdruck „Mitteldeutschland“
wird gern gebraucht, wobei unter „Ostdeutschland“ die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie verstanden werden. (Der österreichische Rundfunk gebraucht konsequent die Bezeichnung „Ostdeutschland“ für die DDR und begibt sich damit auf ein falsches Geleise, was man nur auf eine Unkenntnis völkerrechtlicher Tatbestände zurückführen kann, denn pro-kommunistische Absichten wird man gewiß nicht annehmen können.) „Mitteldeutschland“ ist aber ein geographischer Begriff und sollte nur das Gebiet zwischen Nord- und Süddeutschland bezeichnen, nicht die DDR. Die Bezeichnung „SBZ“ ist staats- und völkerrechtlich gewiß richtig, aber wenn sich Ulbrichts Staatsgebilde nun einmal DDR nennt, kann man auch außerhalb seiner Grenzen diesen Namen ohne Anführungszeichen gebrauchen. Die Auguren wissen schließlich, daß die DDR weder deutsch noch demokratisch noch im westlichen Sinne eine Republik ist. In diesem Sinne sei im folgenden von der DDR ohne Anführungszeichen gesprochen.
1949: Noch nicht volksdemokratisch
Nachdem sich die Bundesrepublik Deutschland (BRD) — auch sie wird in Österreich oft genug als „Deutsche Bundesrepublik“ bezeichnet, was der sowjetischen und Ostberliner Terminologie entspricht — ihre Verfassung (Grundgesetz)1 gegeben hatte, entschloß sich auch die DDR dazu, eine eigene Verfassung -im salben Jahr . 1949 kundzumachen-. Diese Verfassung zeigt in vielem eine geistige Verwandtschaft mit den Verfassungen westlicher Demokratien, auch wenn bereits Schlagworte von „Freiheit, Frieden und demokratischem Fortschritt“ (Art. 3, Abs. 5) darin vorkommen. Zahlreiche Grundrechte, wie wir sie aus den westlichen Verfassungen, auch der österreichischen, kennen, sind darin noch garantiert, so die Gleichberechtigung der Bürger; persönliche Freiheit, Auswanderungsfreiheit, Streikrecht, Privatinitiative, kleines Privateigentum, Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 41), richterliche Unabhängigkeit, habeas corpus und Verwaltungsautonomie.
Wie man weiß, ist in der Verfassungswirklichkeit der DDR kein einziges dieser Grund- und Freiheitsrechte tatsächlich gewährleistet worden. Der Auswanderungsfreiheit wurde sogar durch die Schaffung eines Verbrechenstatbestandes „Republikflucht“ begegnet. Die sogenannte Berliner Mauer stellt eine direkte Zuwiderhandlung gegen Art. 10, Abs. 3 der bisherigen DDR- Verfassung dar (auch wenn zuzugeben ist, daß darin der Gesetzesvor-
behalt gemacht ist, und taisächlich durch eiti elgėheį ‘ Gesetz die' Auswanderungsfreiheit aufgehoben wurde).
Was besonders auffällt, ist der föderalistische Aufbau der DDR nach der Verfassung von 1949, mit Län- derkammier, Ländern usw., doch wurde durch eine Novelle3 die föderalistische Gliederung in Länder praktisch aufgehoben. Die bisherige DDR-Verfassung enthielt noch wenige Anspielungen auf den volksdemokratischen Charakter und praktisch keine Hinweise auf die „sozialistische“, das heißt kommunistische Orientierung des Staatswesens. Die in den letzten Jahren vorgetragenen Reformvorschläge gingen dahin, der Verfassungswirklichkeit4 durch Umbenennung des Staatswesens in „Deutsche Sozialistische Demokratische Republik“ Rechnung zu tragen. Dies wurde nicht verwirklicht.
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